Donnerstag, 11. Juni 2009

Netzsperren.

Ich hab mal einen Brief an meinen Bundestagsabgeordneten geschrieben:


Sehr geehrter Herr Binding,

mit viel Unverständnis mussten ich und viele weitere junge Leute die Diskussion über das Anti-Kinderporno-Gesetz mitverfolgen. Im Netz hat sich, wie Sie gewiss mitbekommen haben, ein breiter Widerstand aufgebaut, indem über 100 000 Bürger sich per Petition gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben. Die Gründe sind hinlänglich bekannt, ich möchte sie trotzdem noch einmal kurz erläutern:
1. Die Sperrlisten sind nicht einsehbar. Das BKA kann die Listen nach ihrem Gutdünken erstellen, für uns Normalbürger ist die Aufstellung nicht nachvollziehbar. Daraus ergibt sich die Befürchtung, dass die Sperre für Kinderpornos auch auf andere für Regierung oder BKA "unangenehme" Seiten ausgeweitet wird. Eine Sperre durch das BKA kommt einer Zensur gleich, auch wenn sie sich nur auf die - natürlich von niemandem befürworteten - Kinderpornoseiten bezieht.
Durch missverständliche Äußerungen u.a. ihres Genossen Wiefelspütz oder von Thomas Strobl aus der CDU, die eine Ausweitung eben dieses Sperrsystems fordern, scheint sich diese Befürchtung zu bewahrheiten. Dadurch sehen wir insbesondere das Grundrecht der Informationsfreiheit gefährdet.
2. Die reine Sperrung von Kinderpornoseiten dient unserer Ansicht nach nicht dem Schutz der Kinder. So verhindert die Sperrung einer Seite nicht das Vergewaltigen der Kinder, gegen das eigentlich vorgegangen werden sollte. Im Übrigen möchte ich auf Telepolis verlinken, wo die Widersprüche der Motivation der Netzsperren wunderbar auseinander genommen werden.
U.a. wird dort das LKA München zitiert.
Die überwältigende Mehrzahl der Feststellungen, die wir machen, sind kostenlose Tauschringe, oder Ringe, bei denen man gegen ein relativ geringes Entgelt Mitglied wird, wo also nicht das kommerzielle Gewinnstreben im Vordergrund steht. Von einer Kinderpornoindustrie zu sprechen, wäre insofern für die Masse der Feststellungen nicht richtig.
LKA München
Diese Einschätzung widerspricht den Darstellungen der Ministerin von der Leyen, die bei Kinderpornographie anscheinend von einem Millionengeschäft ausgeht, das sich auf das Internet beschränkt.
Davon abgesehen, ist die Umgehung der Sperren für jeden regelmäßigen Internetnutzer lächerlich einfach, wie u.a. dieses Video beweist. Dafür muss man sich von Ursula von der Leyen danach beleidigen lassen, dieses Video steht für sich. Ihrer Ansicht nach, ist also jeder, der eine Sperre umgehen kann, ein "schwer Pädokrimineller". Mal abgesehen davon, dass dieses Wort schon für sich sehr seltsam ist, lassen diese Äußerung und eine von Karl-Theodor Wilhelm Lothar Matthäus von und über Guttenberg, der in der Tagesschau die Unterzeichner der Petition in die Nähe von Kinderschändern rückte, ein Bild von der regierenden Politik erscheinen, das den Eindruck erweckt, dass sie entweder keine Ahnung von dem hat, was sie vorhat oder aber auf die Kosten von jungen Leuten, von denen fast alle Internetnutzer sind, Wahlkampf machen will.
Jeder Kritiker der Internetsperren befürwortet die Verfolgung und Bestrafung von Menschen, die ihre Kinder vergewaltigen und derjenigen, die sich dies dann anschauen. Allerdings halten wir die Netzsperre nicht nur für unwirksam - was nicht zu beanstanden wäre, denn dann würde es vielleicht auf einen Versuch ankommen - sondern auch für gefährlich (s.o.). Wir befürchten zusätzlich, dass man mit der publikumswirksamen Einführung einer Internetsperre das Problem auf sich beruhen lässt. Die Server, auf denen die Kinderpornographe wirklich liegen, und der Austausch von Kinderpornographie, der sich nach herrschender Meinung v.a. auch über Handy, Emailverkehr oder Peer-to-Peer vollzieht
, bleiben unangetastet.
Die SPD hat dieses Vorhaben bisher mitgetragen und es scheint nun, dass sich endlich Widerstand regt.
Ich möchte sie bitten, sich noch weiter über dieses Thema zu informieren und gegebenfalls helfen, das Projekt zu kippen. Gerade in der aktuellen Situation der SPD kann es meiner Meinung nach nur förderlich sein, vor den Belangen der jungen Leute nicht weiter die Augen zu verschließen.
Vielen Dank
Benedikt Rüdesheim, besorgtes SPD-Mitglied seit November 2008 aus Dossenheim

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