Sonntag, 27. Dezember 2009

Endlich eine Liste! Teil 2.

In den letzten Wochen habe ich gemerkt, wie schwer das mit dem Bloggen doch ist. Zuerst fehlt die Zeit zum Bloggen, dann fehlen die Themen, dann hat man nicht so besonders viel Lust und jetzt kommt auf einmal alles zusammen. Um diesen Blog dann doch mal mit etwas Leben zu füllen, kommt hier der versprochene zweite Teil des Jahresrückblicks, diesmal mit den besten Songs. Ich habe einfach mal ein paar zusammengetragen und abgesehen von den "Top 5" war es mir irgendwie auch zu schade, da eine Rangliste zu machen. Jedenfalls sei gesagt, dass alles, was unten steht, für jede Art von Hörgewohnheit absolut uneingeschränkt zu empfehlen ist.

Foo Fighters - Wheels
Ich höre sehr selten Radio. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ich noch viel seltener Songs im Radio höre, die ich gut finde. Und noch viel seltener höre ich Songs im Radio und denke dabei "Hey, das hört sich ja an wie die Foo Fighters... was für ein großartiger Song... das ist ja besser als alles, was sie in den letzten 5 Jahren gemacht haben." Ja. Tatsächlich.

Animal Collective - My Girls
"Girls" ist wohl der Song, bei dem die ganze Abgedrehtheit von Animal Collective am besten in einen "wohlklingenden" Popsong gepresst wird. Genauso abgedreht und dazu passend ist dann das tolle Video.

Element Of Crime - Am Ende denk ich immer nur an dich
Der Text. Der Text. Der Text. Der Text.

Bob Dylan - Life Is Hard
Einen Bob Dylan Song in eine Jahresbestliste zu setzen, ist immer ein Fall von Namedropping und weil ich das neue Album eigentlich auch nicht so wahnsinnig gut finde, dachte ich auch, dass es in diesem, meinen, Fall so wäre. Allerdings hab ich Life Is Hard dann nach einigen Ewigkeiten wieder gehört und für gut befunden. Der alte Mann kanns noch.

Franz Ferdinand - Twilight Omens
Das -nun nicht mehr allzu- neue Franz Ferdinand Album wurde mit der Zeit immer langweiliger. Glücklicherweise aber sticht ein Song aus dem ganzen Brei heraus, der den ganzen alten Werken von Franz Ferdinand gerecht wird.

Pet Shop Boys - Love etc.
Ich weiß nicht so genau, warum und seit wann ich die Pet Shop Boys eigentlich gut finde. Es mag daran liegen, dass sie das diesjährige Dour geheadlinet haben und die Show prächtig war oder daran, dass ich mit der Radiobeschallung groß geworden bin. Nichtsdestotrotz ist Love Etc. aber einfach ein wahnsinnig guter Popsong.

Eels - Ordinary Man
Zu den Eels-Songs hatte ich ja bereits mehrfach etwas geschrieben und "Ordinary Man" ist der beste und wohl auch persönlichste Song des letzten Albums, das für mich mittlerweile doch zu den Lieblings-Eels-Alben gehört...

Kevin Devine - Brother's Blood
Ich weiß nicht genau, ob ich Brother's Blood nur deswegen in die Liste gesetzt habe, um meiner Mitbewohnerin einen Gefallen zu tun (aufmerksame Leser [so sie nicht schon längst abgewandert sind] kennen dieses Pingpong-Spiel) oder aber, weil dieser Song in seiner ganzen ausufernden Prog-Folk-igkeit das ist, was die Decemberists dieses Jahr irgendwie nicht so richtig hinbekommen haben

Grizzly Bear - Two Weeks
Veckatimest, das Album der Grizzly Bears wird gerade in sämtlichen Jahrespolls an die Spitze gewählt und irgendwie schaffe ich es nicht, dieses Album so richtig gut zu finden. Aber wer einen so herrlich verschrobenen Song mit vielen tollen Ahs und Ohs schreibt und dazu ein noch viel verschrobeneres Video (die Augen!) dreht, dem ist jeder Hype zu gönnen...

Morrissey - I'm Throwing My Arms Around Paris

Ich habe es dieses Jahr schon wieder nicht geschafft den Mozzer live zu sehen und mein Trauma des abgesagten London-Konzerts 2008 zu überwinden. Und obwohl ich mit den meisten Post-Smiths-Sachen nicht so wahnsinnig viel anfangen kann, ist Years Of Refusal ein hervorragendes Album geworden und "I'm Throwing My Arms Around Paris" eine ebenso hervorragende Single.

Dinosaur Jr. - Over It
Eigentlich ist es ziemlich egal, welcher Dinosaur Jr. Song hier steht, dieses Ungetüm von einem Album muss in dieser Liste vertreten sein, auch wenn es keinen "Hit" abgeworfen hat. Ich habe mal Over It ausgewählt, weil es dazu ein witziges Skate-Video der Band (allesamt Mitte 40 und wohl beleibt) gibt.

Phoenix - Lisztomania

Hier könnte genauso gut Phoenix' "1901" stehen, denn selten hat ein Album mit zwei so perfekten Pop-Perlen eröffnet wie Wolfgang Amadeus Phoenix (und selten das Niveau so überhaupt nicht gehalten).

Ghost Of Tom Joad - Into The Wild
Ich kann weiterhin mit der Band nichts anfangen, aber "Into The Wild" ist grandios. Diese Gitarren! Deutscher und englischer Gesang im Wechsel!! Und dann erst diese Gitarren!!!

Maximo Park - The Kids Are Sick Again
So richtig vorbei ist der Hype um Maximo Park ja noch nicht - zumindest wenn man sich die Konzertticket-Preise vor Augen hält. Trotzdem hat das neue Album keinen Dauer-Konsenshit der Marke "Books From Boxes" ausgespuckt. "The Kids Are Sick Again" ist eigentlich auch ein bissjen zu sperrig, um als "Hit" zu gelten, allerdings ist dieser Aufbau zum fantastischen Refrain hin so lobenswert, dass man sich keine Sorgen um Maximo Park machen muss... Da kommt noch was.

5. Glasvegas - Geraldine
Eigentlich hatte ich mich an Glasvegas Anfang des Jahres so satt gehört, dass ich deren Platte mehrere Monate nicht angerührt habe. Um Geraldine kommt man aber mE dieses Jahr einfach nicht herum. Radiopopsong der Marke Perfekt.

4. Wintersleep - Dead Letter

Dass das Wintersleep-Album ganz große Klasse ist, hatte ich ja bereits mehrfach geschrieben, dass "Dead Letter" da noch einmal heraussticht, spricht Bände. Eine richtig schöne, rührselige Heulsusen-Ballade mit dicker Portion Selbstmitleid: "I think I think I think a little too often/That's what my therapist said/We're alone in this wilderness"

3. Muff Potter - Niemand will den Hund begraben
Wie bereits geschrieben, ist dieser Song wohl das beste, was deutsche Bands dieses Jahr abgesondert herausgebracht haben. Es geht um das Thema Landflucht und meine uneingeschränkte Lieblingstextzeile des Jahres ist: "An der Bushalte sitzen Rocko und Rico/Und spielen Stadt Land Flucht/Ihre Zukunft hängt hier tot überm Zaun/Bald werden auch sie abhaun"

2. Marching Band - For Your Love
Ich beziehe meine Musik ja meistens aus Musikmagazinen (plattentests.de und Visions sind da zu nennen) oder Blogs (coffeeandtv.de, hermsfarm.de), eher selten ist es, dass ich eine Band zufällig live sehe, mir die CD kaufe, überall herumerzähle, wie toll die doch sind und auf einmal alle anderen das auch toll finden. So toll, dass in der 4. Folge der 9. Staffel der weltbesten Serie aller Zeiten (Scrubs) einige Takte von For Your Love gespielt werden. Für alle Unwissenden: Ein Ritterschlag ist nichts dagegen! (Ach ja, allein das Nintendo-Sound-Zwischenspiel rechtfertigt den 2. Platz hier)

1. Editors - The Boxer
Der Song des Jahres kommt vom immer noch schwer unterschätzten neuen Editors-Album "In This Light And On This Evening". The Boxer ist wohl der Song, an dem die Verbindung des "alten" Editors-Sounds mit elektronischen Elementen am besten geglückt ist. Wer glaubt, die neuen Songs seien nicht mehr düster, dem beweist The Boxer das genaue Gegenteil. Niemals waren die Editors so schwermütig, ja beinahe gruselig.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Endlich eine Liste! Teil I

Ich bin, was meinen Musikgeschmack eigentlich ein ziemlicher Listenfreak. Irgendwann habe ich einmal gemerkt, was iTunes für ein hervorragendes Spielzeug ist, einfach alles irgendwie in Listen zu packen. Also die besten Songs, die besten Alben, die besten Songs aus 200x, die besten Rocksongs, die besten Beatles-Songs etc.
Jetzt neigt sich nicht nur das Jahr dem Ende zu (und die Zahl und Qualität der neuen Veröffentlichungen nimmt ab), sondern auch ein Jahrzehnt, an dessen Beginn ich zwar gerade mal 11 Jahre war, das mich aber mit zunehmender Zeit doch musikalisch geprägt hat (naja, welches Jahrzehnt soll es auch sonst getan haben?).
Jedenfalls habe ich mich angetrieben hiervon mal an die Arbeit gemacht, die vielen herausragenden Songs und Alben mal in eine Reihenfolge zu packen und möchte das Ergebnis hier vorstellen. Anfangen werde ich mit den 10 besten Alben des Jahres. Und dann bleibt nur zu hoffen, dass dieser Serie nicht das gleiche Schicksal ereilt, wie der letzten (mein Teil II von Politik der Dummheiten liegt seit 15. November bei den Entwürfen - kommt noch, versprochen...).

Platz 10
Muff Potter - Gute Aussicht
Muff Potter habe ich irgendwie erst dieses Jahr "entdeckt". Zu spät, wie sich herausgestellt hat, die Band löst sich Ende des Jahres auf. Vorher haben sie noch einmal ein richtig gutes Album abgeliefert, u.a. mit einer schönen Alltagsgeschichte in "Rave Is Not Rave" und dem besten deutschen Song des Jahres (sorry, Sven Regener): "Niemand will den Hund begraben" (mehr dazu dann in Teil II)

Platz 9
Eels - Hombre Lobo
Irgendwann im Juli dieses Jahres hatte ich eine ziemliche Eels-Phase, da hatte ich mir gerade die wunderbare Mark Oliver Everett alias "E"-Biografie "Things The Grandchildren Should Know" zugelegt und viele Songs der Eels haben so langsam einen Sinn bekommen. Dann kam dieses tolle Eels Album, lief 2 Wochen lang in Dauerrotation und verschwand dann im CD-Regal (hat eigentlich schonmal jemand gesagt, dass diese Bilder seit iTunes keinen Sinn mehr ergeben?).
Jedenfalls ist Hombre Lobo ein typisches Eels-Album geworden: Mindestens 2 Songs sind absolut herausragend, der Rest ist gut, bleibt aber nicht lange hängen...
Anspieltipps: The Look You Give That Boy, Ordinary Man

Platz 8
Marching Band- Spark Large
Wenn irgendjemand fragt, wie denn der Sommer im Jahr 2009 war, dann sagt diese Platte mehr als 1000 Worte. Kennengelernt habe ich Band und Musik zufällig auf einem Konzert Mitte April in Heidelberg und zu den ersten warmen Tagen passte dieser Sound einfach wunderbar. Die zuckersüßen Songs überschreiten die Grenze zum Kitsch zwar an der einen oder anderen Stelle, aber weil Zucker nunmal klebt, kommt man von den herrlichen Melodien einfach nicht mehr los.
Und dann springt auch noch der Popsong des Jahres heraus: Marching Band - For Your Love

Platz 7
Maximo Park - Quicken The Heart
Maximo Park sind tatsächlich einer der Gründe, warum ich mich in diesem Maße für Musik interessiere. Das Jahr 2005 mit ihrem fantastischen "A Certain Trigger"-Album bleibt allerdings der Maßstab für ihre neueren Sachen und konnte "Our Earthly Pleasures" vor 2 Jahren noch sehr gut mithalten, so haben Maximo Park nun mit "Quicken The Heart" zum ersten Mal eine Platte gemacht, die nicht von vorne bis hinten grandios ist. Da sie das Songschreiben allerdings nicht verlernt haben, kommen immer noch Songs wie "The Kids Are Sick Again" und "A Cloud Of Mystery" heraus, für die Franz Ferdinand dieses Jahr wohl getötet hätten...

Platz 6
Animal Collective - Merriweather Post Pavillon
Mit Animal Collective ist das so eine Sache. Eigentlich ist solche Musik nur in Maßen zu ertragen. Hypnotisches vor sich hin summen, seltsame Hintergrundgeräusche, Hall und mehrstimmiger, vor sich hinwabender, aber scheinbar nicht aufeinander abgestimmter Gesang sollen Popsongs ergeben? Tatsächlich. In der Gesamtbetrachtung fügen sich die nicht ganz herkömmlichen Bestandteile der Songs irgendwie zu wahnsinnig guten Melodien (Summertime Clothes) und tollen Arrangements (My Girls). (Beim Joggen muss ich die trotzdem immer Skippen... da dreht man sonst völlig durch)

Platz 5
Wilco - Wilco (The Album)
Wilco ist auch so eine Band, die wahrscheinlich niemals ein schlechtes Album machen wird. Waren auf "A Ghost Is Born" und "Sky Blue Sky" noch ausuferndes Gitarrenspiel und Atmosphäre die Schlagworte, so sind nun reduzierte Popperlen zu hören, allen voran "Wilco (The Song)" und das wunderschöne "One Wing".

Platz 4
Wintersleep - Welcome To The Night Sky
"Do you still believe in God?
Said the preacher to the astronaut
I heard it's kinda lonesome there
Nothing to talk to but a cold, cold air
Tell me, tell me what was it like?
Did meaning fall from that celestial light?
Did it wrap you up in conversation?
Did it leave you like some ineffable nothing?
Are you feeling alright?
In the blink of a flashing, blinding light"
(Wintersleep - Astronaut)
Noch Fragen?

Platz 3
Editors - In This Light And On This Evening
Ich habe vom neuen Editors-Album nach den ersten Besprechungen nichts erwartet, bin zusätzlich enttäuscht worden und trotzdem taucht "In This Light And On This Evening" in dieser Liste auf Platz 3 auf.
Ich hatte nach etwa 3-4 Durchläufen mit dem Album eigentlich bereits abgeschlossen. Das, was ich auf den früheren Editors-Alben so liebte, nämlich die tollen Klangteppich-Gitarren und der Joy Division-Sound, das gab es auf einmal nicht mehr. Stattdessen Synthie-Pop-Songs, mit denen man sich erstmal anfreunden muss. Das braucht seine Zeit, aber irgendwann macht es dann klick. The Boxer ist wahrscheinlich der beste Editors-Song bisher und der Titelsong ist genauso wunderbar düster wie die Songs der letzten Alben und auch wenn manchmal etwas am Kirmesdisco-Sound gekratzt wird (Papillon), so passt irgendwie auch diese neue Herangehensweise sehr gut zu den Songs der Editors.

Platz 2
Dinosaur Jr. - Farm
Kaufen. Anhören. Mitrocken.
(Wem das nicht reicht, der kann auch meinen Artikel von vor einem halben Jahr lesen, in welchem ich "Farm" etwas voreilig bereits zum Album des Jahres erklärt hatte)
Anspieltipps: I Want You To Know, I Don't Wanna Go There

Platz 1
The Antlers - Hospice
"The Antlers? Hä, wer ist das denn? Das ist ja gar nicht der Mainstream-Indie-Kram, den der Kerl sonst so hört..."
Ja, stimmt. Eigentlich bin ich kein besonderer Fan von Musik, in der die ganze Zeit vor sich hingewinselt wird, aber dieses Album entfaltet eine so starke Wirkung, dass es eine Schande wäre, sich nicht mit diesem doch etwas anstrengenden Klotz Musik zu beschäftigen. Die Melodien sind wunderschön, die Texte unglaublich traurig. Nicht umsonst heißt das Album "Hospice": Der Protagonist begleitet eine Frau in ihrem Sterbeprozess von ersten Berührungsängsten (Can't you see I'm scared to speak, and I hate my voice 'cause it only makes you angry.) bis zum bitteren Ende. So heißt es in "Epilogue": "You're asleep, I'm screaming, shoving you to try to wake you up. And like before, you've got no interest in the life you live when you're awake."
Das ist von Anfang bis Ende bitter und traurig und sicher kein Album, das man unbedingt immer wieder hören möchte, aber wenn Musik so eindringlich berührt, dann haben The Antlers einfach alles richtig gemacht. Das ist der Grund, warum Hospice ziemlich unbestritten mein Album des Jahres ist. Hier einen einzelnen Song herauszuheben, würde allen anderen Unrecht tun und deshalb verlinke ich hier einfach mal die Single Two (mit Video).

Freitag, 20. November 2009

Der schwarz-gelbe Zeitgeist.

Meine ersten Gedanken am 27.9. dieses Jahres um 18.01 Uhr waren nicht Enttäuschung oder Wut, sondern Unverständnis. Mir war es völlig schleierhaft, wie in einer Zeit, in der die "Welt nach sozialdemokratischen Antworten geradezu schreit" (Sigmar Gabriel), ein rechtsliberaler Wahlsieg zustande kommen kann.
Selbstverständlich hat die Stärke der anderen auch viel mit der Schwäche der SPD zu tun (und damit, dass die Kritiker der SPD oft genug auch ihre Vorbehalte gegen die Partei Die Linke haben und eher der Wahl fernbleiben, als den eigentlich logischen Sprung zu machen), aber allein das greift nicht weit genug und vernachlässigt jene gesellschaftlichen Entwicklungen, die mit einem starken "bürgerlichen" Lager einhergehen.
Das, was Sigmar Gabriel letzte Woche auf dem Parteitag über die Erfordernis einer Rückgewinnung der Deutungshoheit in der Gesellschaft gesagt hat, zeigt sich in vielen Äußerungen, nicht nur in Faz, Welt oder Zeit, sondern auch von Freunden und Kommilitonen: Elitedenken ist weiter verbreitet als gedacht und befürchtet.
Die Definition von Leistung (i.S.v. "Leistungsträger", "leistungswillig" im Gegensatz zu "Leistungsempfänger" und "leistungsunfähig oder -unwillig") liegt wieder voll in der Hand der konservativen Kräfte. Vielverdiener sind so automatisch Leistungsträger und zahlen ja viel zu viele Steuern und Arbeitslose sollen doch bitte ein wenig dankbarer ihre Leistungen entgegennehmen und würden ja ohnehin Arbeit finden, wenn sie sich drum bemühen würden.
Auch, dass man es geschafft hat, dem Begriff "links" die "Bürgerlichkeit" entgegenzusetzen, ist sicherlich ein Verdienst von jahrelanger harter Oppositionsarbeit. "Links" ist wieder negativ besetzt, meistens mit faul, rebellisch, neidisch und rechthaberisch, während das "Bürgerliche" durch Vermeidung des ebenfalls negativ besetzten Begriffes "rechts" für Fleiß, Anstand, Stil und kulturelle Interessiertheit steht.
Zu dieser Manipulation durch Sprache hat Erhard Eppler letzte Woche auf dem Parteitag sehr richtig gesagt:
Wir Deutschen leiden darunter, dass wir für die französischen Worte Citoyen – Staatsbürger, Souverän der Demokratie – und Bourgeois – Besitzbürger – leider nur ein einziges Wort haben, nämlich Bürger. Mit dieser Armut der deutschen Sprache wird nun seit 200 Jahren Schindluder getrieben. Lasst das einen alten Mann hinzufügen: In den 70er-Jahren habe ich geglaubt, es sei zu Ende mit diesem Schindluder. Jetzt fängt es wieder an. Das ist ja grotesk: Wenn bei uns einer zum Kommiss kommt – Wehrpflicht ableistet –, ist er doch ein Bürger in Uniform, ein Citoyen in Uniform. Völlig richtig! Aber wie ist es, wenn er die Uniform wieder auszieht? Ist er dann nur ein Bürger, wenn er zur CDU oder zur FDP geht?
Nicht nur die Gesellschaft selbst, auch die gesellschaftliche Haltung hat sich in den letzten 11 Jahren verändert. Ein Beispiel dafür ist, mit welcher Begeisterung Guttenbergs Berufung ins Kabinett im Februar aufgenommen wurde. Die Attribute "stilvoll, gut angezogen und adelig" reichen offenbar schon, um im Bewusstsein der Bevölkerung einen guten Minister auszumachen. Dass Guttenberg selbst in seinem politischen Handeln eine ganz und gar großbürgerliche Haltung an den Tag legt, fällt da nicht ins Gewicht und wird sogar noch unter "Ehrlichkeit" subsumiert.
Auch und gerade, dass Guttenbergs vermeintliche "Adeligkeit" ein besonderes Interesse des Boulevard weckt, zeigt: Status ist wieder in. Willkommen im 19. Jahrhundert. Dass der Adel seit 1918 abgeschafft ist und die damaligen Entscheidungsträger gnädiger als bspw. die Österreicher waren, die ihren vormaligen Blaublütern das Tragen ihrer Standesnamen verboten haben, und dass die Abschaffung der Unterdrückung durch den Adel im Stände- und Klassensystem einer der härtesten und blutigsten Kämpfe der letzten 300 Jahre war, wird überhaupt nicht wahrgenommen.
Wenn man von Status redet, so hat dies immer die Prinzipien von Machterhalt und Abgrenzung zur Folge.
Tanja Dückers schreibt dazu in der Zeit zutreffend:
Die Frage, wie diese dichotome Welt von wohlhabenden, kunstsinnigen Leistungsträgern und tumben, niveaulosen Leistungsempfängern überhaupt entstehen konnte, stellen sich die Protagonisten des neuen Zeitgeistes nicht. Die neue Avantgarde ist für sie Ergebnis eines quasi nietzscheanischen Akts – geboren aus dem puren Willen zum Erfolg. Als sei der Umstand, ob man in Lohn und Brot steht, lediglich eine Frage von Wille und Leistung.
Dass in Deutschland die soziale Durchlässigkeit seit Jahren abnimmt, wird nicht nur ausversehen übersehen, sondern ist wohl gewollt. Statusveränderung ist schließlich Sozialismus. Oder so.

Bevor man konkrete Lösungen von Sachentscheidungen wie bei den Arbeitslosenhilfegesetzen, der Rente mit 67 etc. als DEN Weg aus der Krise der Sozialdemokratie sieht, sollte man sich klar darüber sein, dass die neue Regierung tatsächlich eine Regierung der Mitte ist. Natürlich nicht in dem Sinne, dass die neue Politik einen Ausgleich zwischen rechten und linken Positionen und den verschiedenen Schichten der Gesellschaft sucht, sondern dass rechtskonservative und neoliberale Positionen im Moment die Deutungshoheit in der Gesellschaft innehaben.
Der Weg zu einer neuerlich starken Sozialdemokratie kann also nicht auf Sachentscheidungen oder Glaubwürdigkeitsrückgewinn reduziert werden, sondern kann nur mit einer Umwälzung des wortwörtlich herrschenden Denkens einhergehen.

Mittwoch, 4. November 2009

Not The Beatles.

Ich kann gar nicht anders, als als Fan von guten Coverversionen und noch größerem Fan der Beatles diesen Artikel von Gunnar Geller anzupreisen, der tatsächlich Coverversionen für die gesamte Beatles-Diskographie zusammengetragen hat:
Da finden sich alleine bei den beiden "öffentlichen" CDs (von 21!) solch klangvolle Namen wie Johnny Cash, Frank und Nancy Sinatra, Amy Winehouse, Otis Redding, Sufjan Stevens und...

die Libertines:



(gefunden übrigens über spreeblick)

Dienstag, 3. November 2009

Politik der Dummheiten, Teil I: Ge-Wehr-Recht

Man kann sich ob meiner politischen Gesinnung wohl denken, dass ich nicht unbedingt viel Gutes erwartet habe, als sich die selbsternannte "bürgerliche" Koalition aus CDU und FDP formiert hat. Deswegen habe ich auch nicht direkt aufgeschrien und nach dem (selbstverstänlich widerlichen) Koalitionsvertrag mich groß über irgendwelche Gemeinheiten und Unsinnigkeiten aufgeregt. Dass eine Privatisierung des Gesundheitssystems zu Lasten von Arbeitnehmern und v.a. Geringverdienern gehen würde, ist genauso wenig ein Geheimnis, wie dass Steuersenkungen sich nicht "selbst finanzieren". Ich möchte vielmehr eine kleine Serie starten (mal sehn, wie lange ich durchhalte) und über die Dinge der schwarz-gelben Politik berichten, die entweder grob täuschen oder aber irgendwo einen guten Hintergrundgedanken haben und das genaue Gegenteil bezwecken.

Die Positionen von CDU und FDP zur Wehrpflicht sind jeweils einigermaßen nachvollziehbar. Die FDP will sie abschaffen, die CDU erhalten. Dass dann der Kompromiss "Verkürzung auf 6 Monate" heißt, ist ziemlicher Unsinn. Es reicht nicht, dass seit Jahren öffentliche Gelder für Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen eingespart werden mussten (eine Entwicklung, die durch die gezielte Verarmung der öffentlichen Haushalte durch irrsinnige Steuersenkungen für Besserverdienende verschärft werden wird), nun wird unserem Sozialsystem ohne Not eine weitere wichtige Stütze weggebrochen. Die ersten Wohlfahrtsverbände kündigen bereits an, wegen der verkürzten demnächst keine Zivildienstleistenden mehr einstellen zu können. Dies alles geschieht nur, weil die FDP für ihr Klientel erreichen möchte, dass es auf dem Weg von der Privatschule zur Privatuni bloß keine Zeit für die Karriere verlieren muss und mit so wenig normalen Menschen wie nötig in Kontakt kommt.
Die Abschaffung des Wehrdienstes ist an sich eine unterstützenswerte Sache - für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Volkswirtschaft wächst aus jungen Männern, die mit Waffen umgehen können, schließlich kein Gewinn (ich behaupte mal: Im Gegenteil, wieviel Milliarden unseres Bundeshaushaltes verschlingen nochmal die Kosten für unsre Kriegsführung?). Anders verhält es sich jedoch mit dem daran gekoppelten Zivildienst: Der Einzelne bekommt seine soziale Kompetenz (es soll sogar schon in Bewerbungsgesprächen darauf angekommen sein, liebe FDPler), die Gesellschaft eine Behandlung von Alten, Kranken und Schwachen durch junge Menschen, die die Zeit mitbringen, die den festangestellten Pflegern und Krankenschwestern fehlt und die Volkswirtschaft bekommt billige Arbeitskräfte für dringend notwendige Arbeit.
Selbstverständlich gibt es die Probleme der "Wehrgerechtigkeit" und die Tatsache, dass Zivildienst bzw. Wehrdienst nunmal ein Zwangsdienst ist, aus dem kein besonders großes Engagement wachsen muss (ich sehe mich selbst da durchaus als Beispiel). Das Argument, welches wirklich gegen den Zivildienst als Institution und den Protest der Wohlfahrtsverbände spricht, ist allerdings, dass es nicht sein kann, dass unser Sozialsystem von Leuten gestützt wird, die eigentlich Militärdienst leisten müssen und dies aber verweigern, zudem als Ersatz dafür herhalten müssen, dass es zu wenige und zu schlecht bezahlte PflegerInnen und Hilfskräfte gibt. Zivildienst heißt heute noch "Ersatzdienst", was zeigt, wo die politische Gewichtung der Institutionen immer noch liegt. Der Kriegsdienstverweigerer entscheidet sich nicht "für" den Zivildienst, sondern nur "gegen" den Wehrdienst. Hier bedarf es einer anderen gesellschaftlichen Haltung: Wenn wir wirklich eine Gesellschaft haben wollen, die aufgrund knapper öffentlicher Kassen in sozialem Frieden miteinander lebt und die auf gemeinschaftlicher Fürsorge für die Schwachen basieren soll, dann reicht es nicht, beim Zivildienst dauerhaft auf "Freiwilligkeit" und Anreizen dafür abzustellen (geschehen in einem sonst recht guten Artikel in der SZ), sondern nur, indem wir uns klar werden, wie nötig ein starkes Sozialsystem ist, in den jeder Einzelne eingebunden ist: Eine Maßnahme dafür wäre ein verpflichtender Zivildienst für alle. Keine erschlichenen Ausmusterungen mehr für Ärztekinder, die Möglichkeiten für jeden, sich gesellschaftlich einzubringen und vielleicht auch Erziehung für diejenigen, die es nicht möchten, genügend Kräfte in sozialen Einrichtungen etc.
Selbstverständlich sind dies Hirngespinste, eine Weichenstellung des Staates in Richtung "sozial" wird es in den nächsten 4 Jahre nicht geben. Aber diejenigen Punkte, in denen die neue Regierung vorgibt, "gerechter" und "sozialer" zu sein, verdienen einer genauen Betrachtung und Gegenentwürfen, um zu zeigen, dass man sich nicht weiter täuschen lassen wird.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Sonntag.

Der Sonntag war immer ein ganz besonderer Tag. Man war Samstag abends weg und schlief dann morgens lange und hatte meistens nichts besonderes zu tun als mit Kater vor dem Fernseher oder dem PC zu sitzen. Jetzt bin ich nun aber Student und da man ja eigenverantwortlich ist, ist jetzt potentiell die ganze Woche Sonntag. Oder so. Jedenfalls war heute so ein echter Sonntag. Die Nachwirkungen einer gestrigen Juristenparty (ich weiß, dass das ne widerliche Sache ist, aber hey, einmal im Semester...) haben dazu geführt, dass ich meinen Bewegungsradius nur auf den nahegelegenen Supermarkt ausgeweitet habe und mich kulturell betätigt habe. Ja. Ich habe einen Film gesehen und Musik gehört. Das ist eigentlich nicht sonderlich der Rede wert, aber heute abend hat es mich irgendwie doppelt umgehauen und dafür sind Wintersleep und ein hervorragender Film names "Das Weiße Band" verantwortlich.

Wintersleep sind eine Rockband aus Kanada und weil einem da als allererstes die Weakerthans einfallen, ist der erste Hördurchgang mit einem Gefühl der Vertrautheit verbunden. Tatsächlich findet sich der melancholische Indie-Rock mit großartigen Texten von Wintersleep irgendwo zwischen den Weakerthans und der Band Of Horses (und die Stimme klingt ein bissjen wie bei Clap Your Hands Say Yeah) wieder. Also ein Teil schneller, punk-ähnlicher Songs, eine fantastische Ballade namens "Dead Letter" und auf der anderen Seite ein ausuferndes 8-Minuten Epos mit langen Instrumentals und vielen "Ah-s". Damit reihen sich Wintersleep in die traurige Reihe der Bands (u.a Built to Spill und PeterLicht) ein, die vor kurzem in Heidelberg gespielt haben und erst danach von mir "entdeckt" worden sind.
Der nachfolgende Textteil ist wahrscheinlich so ziemlich das Beste, was ich seit langem gehört habe:
I think I think I think a little too often
That's what my therapist said
We're alone in this wilderness
Left to choke on the pills and to feed on the viruses
I think it's coming and it comes so fast
Oder:
Do you still believe in God?
Said the preacher to the astronaut
I heard it's kinda lonesome there
Nothing to talk to but a cold, cold air
Tell me, tell me what was it like?
Did meaning fall from that celestial light?
Did it wrap you up in conversation?
Did it leave you like some ineffable nothing?
Are you feeling alright?
In the blink of a flashing, blinding light
Das geht unter die Haut.

Mindestens genauso erwähnenswert ist der Film "Das weiße Band" von Michael Haneke, der seit 2 Wochen im Kino zu sehen ist (Achtung, das ist teilweise ein bissjen spoilerhaft).
Es geht um ein kleines Dorf im Norden Deutschlands aus dem Jahr 1913, in dem innerhalb einiger Monate einige seltsame Dinge geschehen. Der Dorfarzt hat einen mysteriösen Reitunfall, eine Frau stürzt sich in einer Mühle zu Tode, das Kind des Barons des Dorfes wird misshandelt aufgefunden, genauso wie später das behinderte Kind der Hebamme. Der Lehrer, der als Erzähler von einem späteren Zeitpunkt aus das Erlebte berichtet, sagt bereits am Anfang des Films, dass diese Geschichte vielleicht eine Erklärung für das geben könne, was später in Deutschland passieren werde und diese "Vorwarnung" sagt einem gleich, worauf man bei dem Film im Besonderen achten muss: Es sind die Kinder, von ihren Eltern gezüchtigt, gedemütigt, geschlagen und sexuell missbraucht, die eine ganz besondere Rolle spielen. Sie sind immer die ersten, die am Ort des Unfalls sind, und geben den ganzen Film einen Anschein von Unschuld, Höflichkeit, unwissender Naivität und Demut ab, das nur einmal ganz offensichtlich in einer (mE) Schlüsselszene durchbrochen wird, wenn sich der bisher versteckte Neid in Wut und Gewalt entlädt. Diese Szene ist deshalb so interessant, weil der Film eigentlich jede Art von Ausbruch, in Worten und in Taten, verweigert. Wenn der Arzt die Hebamme verstößt und dabei aufs Tiefste beleidigt, dann macht er dies in einem Ton und einer Haltung, die auf ein normales Alltagsgespräch schließen lassen würde. In der Szene, in der der Pastor seine Kinder bestraft und schlägt, wird nicht das Geschehen gezeigt, sondern nur eine geschlossene Tür (durch die vorher der regungslose Sohn gegangen ist) gezeigt, hinter der man die Schreie gedämpft hören kann. Diese völlige Kälte im Umgang miteinander (eindrucksvoll unterlegt durch einen leicht vergilbten Schwarz-Weiß Ton des Filmes, der jede historische "Romantik" unterbindet) wird gerade in dieser Person des Pastors (Burghardt Klaußner) grandios dargestellt. Hier könnten als Beispiel fast alle Szenen, in denen er auftritt, aufzählen, besonders eindrucksvoll ist aber der Liebesentzug, als sein jüngster Sohn ihn mit einem gefangenen Vogel über den Verlust seines ermordeten Kanarienvogels hinwegtrösten möchte, und der Pastor einfach nicht fähig ist, Gefühlsregung zu zeigen. Auch das namensgebende weiße Band ist eine "Idee" des Pastors, der mit dem Anbringen einer weißen Schleife im Haar der Kinder diese an ihre Unschuld erinnern soll. Überhaupt kann fast jede Szene (vielleicht abgesehen von der Liebesgeschichte des Lehrers) als Puzzleteil des Filmes gesehen werden, der am Ende keine Lösung präsentiert. Natürlich drängen sich die rätselhaften Kinder als Übeltäter auf, aber es kommt gar nicht darauf an, ob sie es nun wirklich gewesen sind oder nicht. Es ist erschütternd genug zu wissen, dass sie dazu fähig gewesen sein könnten.
Und denkt man den Gedanken weiter, so fragt man sich:
Zu was werden diese Kinder fähig sein, wenn sie erstmal erwachsen sind?

Freitag, 16. Oktober 2009

Der grüne New Deal. Teil 2.

Ich wollte eigentlich nur eine Entgegnung auf Simons Kommentar zu meinem vorherigen Blogeintrag schreiben, dieser ist jedoch etwas lang geworden, sodass ich den Kommentar für alle etwas besser sichtbar in einen Blogeintrag verpacke:
Simon hat gesagt…

Interessant, wenn auch zu hart, finde ich deine Analyse der Grünen. Denn ich behaupte mal, dass die Grünen schon immer eine Partei waren, die nicht unbedingt klassische Wahlthemen (Wirtschaft, Arbeitsplätze, Steuern) ansprechen, sondern eben ihre "Spezialthemen" Umwelt, Bildung, usw. Zwar haben sie sich als Partei immens gewandelt, doch ich denke die meisten Wähler haben sie immer noch bei den Menschen, die andere Themenschwerpunkte setzen (dafür habe ich keine Zahlen, ist eher ein Gefühl, wenn ich so die Grünenwähler, die ich kenne, im Kopf durchgehe). Eigentlich recht erstaunlich, dass die Grünen nicht so viel in der Krise verloren haben, denn den Ruf einer Wirtschaftspartei haben sie nun wirklich nicht. Den hat aber die FDP. Für mich eigentlich relativ unverständlich warum, ich weiß nicht wirklich was so toll daran ist den Staat ohne große Not zu verschulden... Aber das war ja auch ein Vorwurf von Steinbrück, dass der SPD eben auch ein geringere Wirtschaftskompetenz nachgesagt wird.
Völlig zu stimme ich dir bei der Feststellung, dass die SPD ziemlich allein für die Hartz-Gesetzgebung etc. bluten muss. Das ist dann aber auch irgendwie Eigenverschulden. Wenn man das vernünftig dargestellt hätte, dass 1. alle Parteien daran beteiligt waren und 2. dass diese Gesetze eben sehr sehr schmerzvoll aber nötig waren (davon bin ich mittlerweile nicht mehr so recht überzeugt). So sehr man auch der neuen Regierung jetzt vorwerfen kann nur Symbolkosmetik daran zu betreiben, man muss doch anerkennen, dass man gerade in einer Demokratie sich bestmöglich verkaufen muss und genau deshalb ist das kein schlechter Zug die Schonvermögen zu erhöhen, auch weil es nichts kostet.
Was bis jetzt vielleicht noch nicht so beachtet wurde ist meiner Meinung nach auch ein kleiner Wandel der CDU: Durch von der Leyen in der Familienpolitik und durch deren linkeren Flügel graben die die SPD ganz gut Stimmen ab. Dass die CDU für Krippenplätze ist war ja noch vor 10 Jahren undenkbar. Überhaupt finde ich dass die Parteienlandschaft sich überhaupt sher gewandelt hat. Der SPD finde ich mittlerweile eigentlich die CDU näher als die FDP. Mit letzteren kann man irgendwie nicht mehr so viel anfangen. Wenn man mal überlegt, in den 70er noch hat die SPD den Kanzler gestellt, obwohl sie nur Zweitstärkste Kraft waren, aber eben für die FDP der bessere Partner. Undenkbar heute.
Vielleicht auch, weil laut Spiegel (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,654709,00.html) verstärkt der menschliche Faktor hinzu kommt. Gerade auch im Saarland kennt wahrscheinlich noch jeder jeden und es spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie gut die Führungspersonen miteinander können. (Wobei das eigentlich immer eine wichtige Rolle spielt und meiner Meinung nach ist das auch nicht unbedingt so negativ zu werten. Ein Koch wird andere Politik betreiben als ein von Beust, trotz gleicher Partei...)
Mit den Linken kann ich mich eigentlich auch noch gar nicht anfreunden. Man muss nur mal auf deren außenpolitisches Programm anschaun, um denen jedwedes Weltverständnis abzusprechen. Die Oppositionsstimmen im Bundestag sind glaube ich aber nicht verloren. Soweit ich weiß kann das Bundesland nur geschlossen seine Stimmen verwenden und die Praxis ist, sobald ein Koalitionspartner nicht einverstanden ist wird sich enthalten (was einem Nein entspricht). Das heißt, im Bundesrat stimmen nur schwarz-gelbe Länder oder komplett schwarze Länder im Sinne der Regierung. Ist jedenfalls meine Kenntnis der Dinge.



Du sprichst ein paar interessante Punkte an, auf die ich kurz eingehen möchte:
1. Die grüne Programmatik auf Bundesebene ist relativ unzweifelhaft links. Das Wahlprogramm der BTW ist durchaus links der SPD einzustufen, siehe z.B. Erhöhung der ALG2-Sätze. Anders die Wählerschaft. Einige Äußerungen der selbsternannten Realos lassen außerdem auf eine Zustimmung zu Jamaika schließen. Bsp. Bütikofers Äußerungen über Twitter.

2. Die Hartz-Gesetzgebung ist selbstverständlich ein komplexeres Thema, als dass man hirnlos pauschal dafür (Steinmeier) oder dagegen (Lafontaine) sein kann. Ich halte das ALG2 vom Kern her für richtig und unumgänglich. Der Staat kann es sich nicht leisten, Arbeitslosen bis in alle Ewigkeit einen hohen Prozentsatz (53% glaube ich) ihres vorherigen Verdienstes zu zahlen, so wie es vor der Agenda aussah. Und ich sehe auch das "eingesparte" Geld in der Förderung der Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Markt sehr gut aufgehoben. Worüber diskutiert werden muss, sind zum Einen die Sätze selbst, die wohl nicht nur im Einzelfall zu niedrig sind. Zweitens bin ich für eine Entschärfung der Sanktionen gemäß § 31 SGB II, hier muss definitiv nachgebessert werden und v.a. geschaut werden, ob sie überhaupt ihre Funktion erfüllen. Wenn nicht, weg damit. Auch den Grundsatz, dass jede Arbeit angenommen werden soll, sehe ich sehr kritisch (auch wenn das rechtlich durch das Wörtchen "zumutbar" durchaus schon geregelt ist, hier mangelt es wohl an sachgerechter Auslegung, aber da kenne ich mich nicht genug aus, um das abschließend beurteilen zu können).
Das Gegenargument für eine Erhöhung der Sätze, dass dann nämlich der Anreiz wieder eine Arbeit zu finden, wegfiele, ist mE Hohn und Spott auf die Betroffenen, gerade wenn diese Äußerungen von denjenigen kommen, die jahrelang dafür eingestanden haben, dass die Löhne nicht gestiegen sind (während die Unternehmensgewinne um glaube ich über 30% gestiegen sind).
Hier liegen die wahren Probleme unseres Sozialsystems, gerade auch, wenn von Union und FDP gegen Mindestlöhne argumentiert wird, weil die Dumpingllohnempfänger ja "aufstocken" könnten. Diese Ausgaben sind mE vermeidbar, wenn wirtschaftspolitisch anders gehandelt wird als in den letzten Jahren.

3. Und was den Bundesrat angeht, so sieht die Realität auch ein bissjen anders aus, als von dir beschrieben, siehe die Zustimmung der Länder zum Konjunkturprogramm, das die FDP ja eigentlich ablehnte, aber aufgrund von Druck seitens der CDU im Bundesrat doch passieren ließ.
Und ja, die FDP ist selbstverständlich eine überflüssige Partei, deren Liberalität sich nur noch auf den Markt bezieht. Mit der FDP der 60er und 70er Jahre hat das nichts mehr zu tun...

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Der grüne New Deal.

Der 27. September war ein schlechter Tag für Deutschlands Linke. Es gibt jetzt wieder eine Mehrheit der bösen Mischung aus einem rückwärtsgewandtem Weltbild der Intoleranz und lobbyistenparolengetränktem Wirtschaftsliberalismus, eine Konstellation, die man seit 1998 eigentlich in den Geschichtsbüchern verstauben lassen wollte.
Nach der ersten Ernüchterung des Wahlabends glaubte man dann im Trotz an die große Chance einer Neuformierung der Linken und vereinzelt hörte man sogar das Wort "Wiedervereinigung". Schließlich gibt es ja jetzt einen gemeinsamen Gegner und alle dürfen zusammen die Regierung scheiße finden (das durften erst nur die Linke und seit 2005 auch die Grünen). Jetzt hat es 2 Wochen gedauert und immerhin schien die Ausschließeritis der Linkspartei ein Ende zu haben.
Weit gefehlt.
Nach dem Matschie-Debakel in Thüringen war die Ankündigung einer Jamaika-Koalition durch die Grünen im Saarland schon abzusehen. In Lafontaine den Sündenbock zu sehen, halte ich für zu kurzsichtig, auch wenn bei dessen überraschender Erklärung, künftig im saarländischen Landtag sitzen zu wollen, zumindest der Zeitpunkt höchst unglücklich gewählt wurde. Einem Provinzpolitiker wie Hubert Ulrich ist es auch irgendwie nicht zu verdenken, dass er Schiss vor Lafontaine bekommen hat, schließlich hätte ihm dieser wohl ziemlich die Show gestohlen.
Viel interessanter als die persönlichen Vorbehalte von Ulrich sind aber zwei Fragen:

1. Welchen Einfluss auf die "Rest"-Grünen hat die Jamaika-Entscheidung?
2. Warum ist ein Wortbruch kein Wortbruch mehr?

zu 1.)
Die Grünen sind strukturell keine linke Partei mehr. Mag sein, dass Programm und Personen auf Bundesebene durchaus noch ein vernünftiges Wahlprogramm auf die Beine gestellt haben, die Wählerschaft selbst hat jedoch kein Problem mit CDU und FDP zusammenzuarbeiten. Beweise? Hier. Die Grünen werden immer mehr zur Lifestyle-Partei für Unpolitische, die Umweltschutz irgendwie cool finden. Anders lässt es sich auch nicht erklären, warum die SPD seit der Hartz4-Gesetzgebung enorm an Stimmen verloren hat, die Grünen aber sogar dazugewonnen haben. Warum wird, was der SPD, zu großen Teilen zu Recht, angelastet wird, nicht auch den Grünen vorgehalten? Sie haben sich, hier lehne ich mich etwas aus dem Fenster, zu einer Partei entwickelt, die gewählt wird, um das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Die Grünen sind, ohne dass ich ihnen unterstellen will, dies gewollt zu haben, zu einer Partei der Besserverdienenden geworden. Selbstverständlich gibt es bei den Grünen noch viele Leute, die bisher noch verhindern, dass Grün nur noch ein angestrichenes Gelb wird, aber die Zukunft lässt Böses erahnen. Ich finde es sehr problematisch zu sagen, man wolle mit CDU und FDP koalieren, weil man da "mehr grüne Inhalte" umsetzen kann. Zum Einen halte ich die Aussage nicht für besonders glaubwürdig, auch wenn die Union es ja auch auf Bundesebene schafft, so zu tun, als sei sie für Unmwelt- und Klimaschutz (Stichprobe: Was hat die Union auf diesem Gebiet in den letzten Jahre gemacht? Eben.). Zum anderen ist sogar eine saarlandspezifische Lösung mit Eingeständnissen insofern nicht gut, dass den Oppositionsparteien wichtige Stimmen im Bundesrat fehlen und eine Fundamentalopposition der Grünen in Regierungsverantwortung wohl nicht erwartet werden kann. Den Bundesgrünen wird somit ein Bärendienst geleistet.
Leidtragende der Jamaika-Koalition wird wieder mal die SPD sein. Die Grünen werden wohl belohnt, weil sie ein bissjen sozialdemokratische Politik in der Koalition durchgesetzt haben, die CDU kann sich weiter mit einem Minimum an Symbolpolitik (ein wudnerbares Beispiel ist das Beklatschen der Erhöhung des Schonvermögens heute, eine Maßnahme die gerade einmal 25 000 Menschen betrifft und somit ein leichtes Geschenk ist, weil kaum Kosten für den Staat anfallen) in der gesellschaftlichen Mitte breit machen, die SPD guckt in die Röhre.

zu 2.)
Wahlversprechen darf jeder brechen, aber ein Wortbruch ist es nur dann, wenn jemand mit der Linken koalieren will, oder?
Ich bin dafür, dass Hubert Ulrich und die saarländischen Grünen genauso behandelt werden wie Andrea Ypsilanti und die Hessen-SPD. Der eine sagt, er wolle den Ministerpräsidenten abwählen lassen und er wolle einen "Wechsel" und die andere will linke Politik ohne die Linke. Where's the fucking difference? Natürlich ist die Linke böse. Wie kann sie es wagen, Forderungen aufzustellen, die nicht finanzierbar sind? Das ist ja wie in der DDR. Und dann die ganzen hessischen und saarländischen Stasi-Spitzel. Mannomann.
Mal davon abgesehen, dass ich den "Wortbruch" in Hessen vom Prinzip her für nicht dramatisch halte (von der Wirkung her selbstverständlich schon), ist diese Ungleichbehandlung eigentlich ein Skandal. Die konservativen Medien (Faz, Bild, Spiegel, Zeit) haben mit einer beispiellosen Medienkampagne und mithilfe eines gekränkten Seeheimers ein vielversprechendes Projekt gekippt, das den "Wechsel" glaubwürdig versprochen hatte.
Jetzt versprechen Matschie und Ulrich eben diesen Wechsel, um mit der eigentlich abgewählten CDU, dem Kontrapunkt des politischen Konzeptes von SPD und Grünen, trotzdem zu koalieren. Hier liegt, vielmehr als in der Auswahl der Koalitionspartner, ein wahrer Wortbruch vor. Ich will nicht, dass jetzt gesagt wird, man wolle unbedingt mit der Linken koalieren. Es geht darum, dass man es MUSS. Argumente ob der SED-Vergangenheit führen in West-Bundesländern völlig ins Leere und im Osten sitzen die Parteikader und DDR-Linientreue ebenso in anderen Parteien, siehe Althaus. Es bietet sich die Chance, die eigenen Inhalte mit Parteien, die Ähnliches vertreten, durchzusetzen und sie wird vorsätzlich nicht genutzt, obwohl man versprochen hat, einen "Wechsel" zu wollen. Bei solchem Slapstick möchte man Verständnis für jegliche Politikverdrossenheit haben...

Freitag, 9. Oktober 2009

Toleranz! Jetzt!

Eigentlich wollte ich nichts über Thilo Sarrazin und seine Hetze schreiben, weil ich dachte, unsere Medien- und Politikerlandschaft würde mit der Thematik souveräner umgehen, als sie es derzeit tut und den einschlägigen "Islamkritikern" Broder, Giordano, FJ Wagner (der Bild-Spinner) kann der aufgeklärte Mensch ja eigentlich aus dem Weg gehen. Erst die Sendung Hart Aber Fair hat einem ein Bild von der Problematik vorgeführt, dass man sich nur noch gruseln kann. Da wurden neben einer Dame von einem islamischen Verband und Ströbele drei Herrschaften eingeladen, die tatsächlich nichts besseres zu tun hatten, als die ganze Sendung über Sarrazins Äußerungen zu verteidigen.

Es mag ja sein, dass es einen latenten Fremdenhass in Deutschland gibt und es gibt ihn wohl auch in der deutschen Medienlandschaft. Aber dass sich 2 Politiker aus der immer noch stärksten Partei in Deutschland und ein Journalist, der sich selbst als "links" bezeichnet, derart in den brauen Sumpf begeben, ist widerlich. Besonder Oswald Metzger tut sich hervor, indem er meint, man solle sich wieder mehr um die Leistungsträger kümmern (das ist in diesem Zusammenhang [naja und eigentlich immer] eine ganz besonders hirnlose Aussage) und außerdem solle man sich "um die Alltagsprobleme der Menschen kümmern, damit es nicht die rechten Parteien machen" - Im Klartext, rechte Themen bedienen, um den Nazis das Wasser abzugraben. Schlimmer ist noch, dass Sarrazin von so vielen Seiten für seinen "Mut" gelobt wird, sich über die "political correctness" hinwegzusetzen, die ja ach so viele Debatten behindere. Fehlt nur noch, dass jemand die NPD dafür lobt...

Wenn Sarrazin sagt, es gebe Menschen (und er meint die türkischen und arabischen Migranten) in Berlin, die "ökonomisch nicht gebraucht werden", dann ist das zumindest sektiererisch und wenn er meint, dass dieser Teil "auswachsen" solle, dann ist das Rassismus. Ganz einfach. Mehr muss man zu dieser Thematik auch nicht mehr sagen. Rassismus darf nicht verteidigt werden und Rassisten dürfen für ihren Mut auch nicht gelobt werden. Fertig. Ich halte es da wie Christian Soeder, der bei Rot Steht Uns Gut schreibt:
Ein bisschen Rassismus gibt es nicht, so wenig wie es ein bisschen schwanger gibt. Ein SPD-Politiker sagte einmal sinngemäß: „Zwischen NPD und DVU unterscheide ich nicht, denn das hieße, Scheiße nach dem Geruch zu sortieren.“ Und genau so sollte man es auch mit Rassismus halten. Ganz undifferenziert.

Da ist es mir völlig egal, ob Sarrazin in seiner Analyse nicht den ein oder anderen richtigen Punkt gefunden, natürlich gibt es Probleme bei der Integration von Türken und Arabern, aber diese werden sicher nicht durch Anfeindungen und Beleidigungen gelöst, Integration mit dem Holzhammer ist Unsinn, sobald staatlicher Druck und öffentliche Anfeindungen da sind, darf es keinem Migranten verübelt werden, sich nicht aus seinem Kulturbereich herauszubewegen. Wir dürfen nicht die Arme verschränken, wir müssen die Arme öffnen, wir müssen reden und wir müssen ihnen Möglichkeiten bieten, sich in die Gesellschaft zu integrieren (v.a im schulischen Bereich), Zwang ist da mE eher kontraproduktiv.

Solange übrigens die CDU tatsächlich Beauftragte für Islam, Integration und Extremismus anstellt, ist mir völlig klar, in welche Schublade Migranten aus islamischen Ländern gesteckt werden... ob das hilft?

Wer noch ein paar weiterführende Beiträge zum Thema lesen oder anschauen möchte und dabei nicht in Brechreiz verfallen will, dem sei Folgendes nahe gelegt:

Spreeblick: Sarrazin hat Rechts.
Alan Poseners Blattkritk: Sarrazins Bullshit (das Video)

...und außerdem treffend wie nie, diesen Beitrag von Hagen Rether:

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Tageszeiten.

Ich bin krank. Also jetzt nicht schlimm oder so, aber eben so krank, dass man durchaus mal ohne schlechtem Gewissen 2 Tage zuhause vor dem Fernseher verbringen kann.
Das macht ein paar Stunden Spaß, wenn man endlich ein paar neue und ein paar alte, fast vergessene (gerade das wunderschöne Jets To Brazil - Perfecting Loneliness) Musikalben durchhören, sinnlos im Internet rumsurfen, das RTL-Nachmittagsprogramm gucken oder den Tag einfach mit Süßigkeiten essen verbringen kann, ohne irgendwelche anderen Dinge im Sinn zu haben. Allerdings ist das nur so lange schön, bis man sich eingestehen muss, dass man die Zeit ja durchaus auch damit verbringen könnte seine Hausarbeit zu überarbeiten (Abgabe nächste Woche) oder für die anstehende Klausur zu lernen (noch 3 Wochen, aber dafür ein Thema, für das völlig von vorne angefangen werden muss). Oder Bloggen. Vor so etwa einer Stunde hab ich mich für Letzteres entschieden. Ja.
Es ist gar nicht so einfach, etwas zu schreiben, wenn man nicht vor die Tür geht und die Übelkeit des FDP-Wahlergebnisses sich so langsam in eine "Jedes-Volk-bekommt-den-Außenminister-den-es-verdient"-Egalheit umwandelt, über die es sich nicht lohnt zu bloggen. Irgendwie klappt es auch mit dem "Banalitäten-in-Blog-Einträge-umwandeln" auch nicht so gut, wie bei anderen.
Dazu kommt dann noch ein Hang zum abgelenkt werden (wer hat eigentlich diese unsäglichen Browser-Games erfunden?), was hier bei meinem neuen Lieblingsblogger ganz gut beschrieben wird (erster Unterpunkt). Das schlechte Blogger-Gewissen (ich hab heute hier gefunden, dass ich nicht der einzige bin) macht sich allerdings bemerkbar, schließlich gibt es in meinem Blog einen schleichenden Abstieg an Beiträgen (Juni 17, Juli 13, August 9, September 5, Oktober 1), der jetzt gestoppt wird, damit im November keine -3 da steht. Und manchmal muss man dazu auch mal was Inhaltsloses schreiben. So.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Nichts gelernt...

Ich habe am Sonntag abend eigentlich zu denen gehört, die die Wahlniederlage eher nüchtern als Chance für einen Neuanfang gesehen haben und eine Fortsetzung der großen Koalition ohnehin für schädlich für die SPD gehalten hätte.
Jetzt ist in 3 Tagen in der SPD schon eine Menge geschehen, aber man hat nicht den Eindruck, dass diese Geschehnisse kein "Weiter So" sind, obwohl man sich ja von allen Seiten her einig ist, dass es eben dies nicht mehr geben soll.
Ein Weiter So ist es jedoch, wenn sich FW Steinmeier vor den Fernsehkameras als neuer Fraktionsvorsitzender krönt, ohne dass es davor irgendeine Diskussion gegeben hat. Eben dieser Führungsstil hat der SPD-Fraktion bereits einige unliebsame Dinge aufgedrückt, auch die Rente mit 67 wurde auf diese Weise kommuniziert. Die Fraktion hatte die Möglichkeiten, ihn entweder zu wählen oder schwer zu beschädigen. Eine gemeinsame Lösung sieht anders aus.
Ein Weiter So ist es auch, dass das Eingehen einer großen Koalition als Juniorpartner nicht endlich als Fehler angesehen wird. Es hat sich gezeigt, dass mit einer taktierenden Konsens-Regierungschefin (Merkel, in Thüringen zukünftig Lieberknecht, in SH war es Harry Carsten Petersen) durchgesetzte sozialdemokratische Inhalte schwer als Erfolge vermittelt werden können und schlechte Kompromisse einer kritischen SPD-Basis nicht verkauft werden können. Gerade wenn eine linke Mehrheit möglich ist, und von der SPD linke Inhalte erwartet werden, kann man das nicht einfach aufgeben, nur um eine "stabile Regierung zu bekommen". Die Wahlergebnisse für die SPD aus einer großen Koalition heraus zeigen die schädlichen Auswirkungen mit starken Verlusten (Sachsen, Bund, Schleswig-Holstein). Der Freitag schreibt heute:
Den Grund für Münteferings Abgang hat Matschie offenbar noch nicht realisiert. Wer in diesen Tagen als Sozialdemokrat eine große Koalition anstrebt, obwohl es eine Alternative gibt, ist entweder dumm, hat einen superschlauen geheimen Plan oder handelt mutwillig.
Ein Weiter So ist es außerdem, jetzt zu meinen, eine Personalrochade würde auf einmal die herbeigesehnte Glaubwürdigkeit wiederbringen. Steinmeier gilt ja als Architekt der Agenda und wenn man jetzt tatsächlich die nötigen Korrekturen fordern will und eine Abkehr von einigen Maßnahmen möchte, dann kann er nicht dafür stehen. Glaubwürdigkeit ist nur mit neuen Personen möglich. Gabriel wirkt nicht ganz so verbraucht wie Steinmeier, auch wenn er in der Vergangenheit nicht unbedingt für einen kritischen Kurs bekannt war. Das Problem der ganze Personaldebatten liegt jedoch offensichtlich darin, dass Alternativen fehlen. Auch wenn sich alle einig sind, dass sich die SPD nach links öffnen muss, so weiß niemand, wer für diesen Kurs stehen soll. Die Hoffnung wird wohl darauf liegen, dass Klaus Wowereit nächstes Jahr seine Wahl in Berlin gewinnt und dann gestärkt als Kanzlerkandidat zur Verfügung steht.
Das Weiter So lässt sich auch in der Kommunikation eben dieser Personalrochaden erkennen. Anstatt am Parteitag offen über das Personal zu sprechen, schiebt man sich jetzt die Posten hin und her und das soll dann "abgesegnet" werden. Wenn wir auf Bundesebene ach so demokratische Sachen wie Volksentscheide fordern, dann sollten wir damit in der eigenen Partei erstmal anfangen.

Montag, 28. September 2009

Deutschland rückt nach rechts.

Wir wussten, dass es schlecht kommt, aber es ist noch schlimmer gekommen.
Angela Merkels Verschleierungstaktik ist vollkommen aufgegangen. Zwar weiß niemand, was nach der Wahl passieren soll, aber die Wahlkampfvermeidung hat immerhin 27% der wahlberechtigten Bürger zuhause bleiben und somit das CDU-Ergebnis nicht allzu stark fallen lassen. Das heißt, dass die neue Regierung von nur knapp 35% der Bevölkerung gewählt worden ist.
Bei solch einer starken FDP kann mir auch niemand erzählen, dass es keine gravierenden Einschnitte ins Sozialsystem geben wird, anders werden die blödsinnigen Steuersenkungen nicht finanziert werden können. Schließlich wird die Entlastung einiger weniger, ohnehin schon besser Gestellter kaum ein höheres Wachstum mit sich ziehen können.
Es ist allerdings falsch zu denken, dass der erwartete soziale Kahlschlag der SPD jetzt automatisch wieder die Wähler in die Arme treiben wird. Ohne personellen wie inhaltlichen Umbruch wird auf der Partei immer die Last von Hartz4 und Rente mit 67 liegen. Warum Müntefering gestern nicht zurückgetreten ist, wird wohl sein eigenes kleines Geheimnis bleiben.
Dass Steinmeier sich für den Fraktionsvorsitz vorschlägt, war wohl zu erwarten, ist aber ungeschickt. Eine Rundumerneuerung mit Steinmeier an der Spitze ist nicht glaubwürdig, sodass er erstmal in die zweite Reihe zurückmüsste, auch wenn es nicht einfach wird, einen Alternativkandidaten zu finden. Gabriel? Ist Netzwerker und steht genauso für den Schröder-Kurs wie alle anderen, auch wenn er sich im Wahlkampf mE sehr gut verkauft hat. Nahles? Mit was hat sich die Frau eigentlich in den letzten Jahren profiliert, um noch als "einflussreiche Parteilinke" zu gelten? Wowereit? Muss erstmal seine Wahl in Berlin gewinnen, dann kann man weitersehen. Viel bleibt dann nicht mehr übrig. Wichtig ist es jedenfalls, den starken Einfluss der Parteirechten zu beleuchten und zu hinterfragen, welchen Schaden die innerliche Zerissenheit in der SPD angerichtet hat. Vier Eigenbrötler haben ein wahnsinnig gutes SPD-Ergebnis in Hessen 2008 ins Gegenteil umgekehrt und Parteitagsbeschlüsse ad absurdum geführt. In Hamburg hat Ilkhanipour durch den Putsch des Vorzeigelinken Niels Annen zum ersten Mal seit überhaupt den Bezirk Eimsbüttel für die SPD verloren. In Baden-Württemberg sind die Unistädte an die CDU gegangen, weil die Grünen nicht davon überzeugt werden konnten, die Überhangmandate zu verhindern, indem man die SPD-Kandidaten unterstützt. Das alles hat seinen Ursprung in der Eitelkeit von Ute Vogt, die es nicht geschafft hat, Cem Özdemir in Stuttgart I zu unterstützen und damit die Grünen in Mannheim, Tübingen und Heidelberg auf die eigene Seite zu ziehen. Zusammen hätte man einen Großteil der 10 Überhangmandate der CDU verhindern können und Ute Vogt hat mE fast schon Glück, dass das Wahlergebnis nicht knapper ausgefallen ist und sie nicht quasi alleine die Verantwortung für eine schwarz-gelbe Regierung hat.
Trotzdem müsste ihr Rücktritt selbstverständlich sein.
Selbst wahlzukämpfen hat zwar unglaublich viel Spaß gemacht, in der Konsequenz jedoch frustrierend. Wie oft mussten wir Hartz 4, den Afghanistan-Einsatz und die Ablehnung einer Koalition mit der Linkspartei erklären und dafür argumentieren, obwohl wir es doch selbst weder verstehen noch unterstützen. Das und die vermeidbare Niederlage beim Kampf um das Direktmandat haben die Enttäuschung des Wahlabends schnell in Trotz und Wut umschwenken lassen. An uns hat es jedenfalls nicht gelegen...

Pflicht ist übrigens dieser Artikel vom Spiegelfechter: Klack.

Donnerstag, 17. September 2009

Das Zugangserschwerungsgesetz.

Ich habe mir gestern morgen auf Empfehlung das ZDF-Wahlforum von vorgestern einmal angesehen (und zwar hier) und habe mich wieder furchtbar über das Verhalten von Ursula Von der Leyen und die plumpe, undifferenzierte Zustimmung vom SPD-"Hoffungsträger" Gabriel (sagt jedenfalls der Spiegel) geärgert. Irgendwie hat der mündige Bürger da das Gefühl, dass diese Frau es niemals lernen wird. Immer wieder muss erzählt werden, dass es ja noch ach so viele Verbrecherstaaten gibt, bei denen Kinderpornografie nicht geahndet werden kann, was in einigen Fällen längst widerlegt worden konnte, aber vdL wohl ziemlich egal ist (da passieren dann so Sachen, wie das hier). Die ganze Kritik scheint ihr aber insofern nicht egal zu sein, dass sie ihre Imagekampagne noch ausweitet und sogar Wahlkampf (Achtung! Widerlich!) mit ihrem Gesetz macht, das beim besten Willen nicht wirkungsvoll genannt werden kann. Ergänzend dazu sollten diese beiden sehr sehenswerten Zapp-Beiträge angesehen werden, in denen sehr gut dargelegt wird, mit welchen Mitteln die gute Frau da arbeitet.
Wodrum es mir jetzt aber eigentlich geht, ist der Umgang mit der Problematik von der "anderen" Seite. Selbstverständlich bin ich auf dieser Seite und habe ebenso wie andere versucht, die Sperren zu verhindern. Nachzulesen ist das hier in einem Brief an den SPD-MdB meines Wahlkreises Lothar Binding. Ich hatte das große Glück, mit eben diesem die Problematik auch im persönlichen Gespräch zu behandeln und zum ersten Mal eine Sichtweise abseits von "Überwachungsstaat" und "Kinderpornografiebekämpfung" zu erhalten.
Binding hat bei abgeordnetenwatch.de eine Stellungnahme zu den Netzsperren generell geschrieben (an der ich ein kleines bissjen mitfeilen durfte). Bitte lesen. Zum Einen geht es dort um die Entkräftung der Angst vor den Sperren, bzw. vor der mythischen "Ausweitung" der Sperren.
Das Zugangserschwerungsgesetz ist ein für das konkrete Ziel der Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornographie im Internet entwickeltes, zeitlich begrenztes Spezialgesetz. Der Entwurf des Wirtschaftsministeriums hatte lediglich eine entsprechende Änderung des Telemediengesetzes vorgesehen. Mit der spezialgesetzlichen Regelung, die wir erst im parlamentarischen Verfahren durchgesetzt haben, wird die rechtliche Grundlage unseres Vorhabens in seinen Inhalten deutlich verbessert. Es geht – eng begrenzt – um die Sperrung von Internetseiten mit Kinderpornographie, ausdrücklich nicht um die Sperrung anderer Inhalte. Diese rechtliche Begrenzung des Anwendungsbereiches kann auch nicht durch eine Rechtsverordnung der Bundesregierung per Beschluss geändert werden. Damit können wir verhindern, dass die Sperrinfrastruktur des Gesetzes auch für andere Aufgaben eingesetzt werden kann – an Vorschlägen und Forderungen, etwa für Strafverfolgungszwecke oder zum Schutz des geistigen Eigentums im Netz, fehlt es nicht.
So wie ich das verstanden habe, heißt das: Ausweitung rechtlich nicht möglich. Wenn es nun also eine Sperre für "Killerspiele" geben soll, muss von vorne angefangen werden. Das Zugangserschwerungsgesetz "hilft" dabei nicht.

Der zweite erwähnenswerte Punkt ist ein Argument FÜR das Gesetz:
Das Zugangserschwerungsgesetz ist auch ein rechtlicher Schutzmechanismus gegen eine unkontrollierte und intransparente Ausweitung von Internetsperren, der angesichts der überstürzten Handlungen der Bundesfamilienministerin notwendig wurde. Denn die größten Internetprovider hatten mit Frau von der Leyen Verträge abgeschlossen, die Erweiterungen der Sperren ohne einen demokratischen Gesetzgebungsprozess zugelassen hätten. Die Unternehmen standen dabei unter dem starken Druck einer öffentlichen Debatte, die durch Frau von der Leyen und Jörg Tauss geprägt worden war. Die Internetsperren erfolgten damit auf einer unkontrollierbaren und höchst fragwürdigen Basis. Wegen der Bindewirkung der abgeschlossenen Verträge hätten diese Vereinbarungen ohne nachträgliche gesetzliche Regelung gleichwohl eine Handlungsgrundlage für beide Vertragspartner dargestellt. Mehrere Provider wie beispielsweise Vodafone hatten bereits angekündigt, Internetsperren aktivieren zu wollen. Dies hätte ohne gesetzliche Regelung völlig unüberprüfbar und unbegrenzt geschehen können. Deshalb ist für mich das Gesetz die deutlich bessere zweier schlechter Alternativen – auch um sich vor Fehlinterpretationen zu schützen. Nach Abschluss der Verträge wurde somit eine geordnete, entschärfte, rechtsstaatliche Lösung erforderlich, wollte man sich nicht dem Verdacht des Zauderns und Zögerns im Kampf gegen Kinderpornographie aussetzen.
Ich halte, genau wie Binding, das Zugangserschwerungsgesetz weiterhin für Unsinn im beabsichtigten Sinne, allerdings gibt es etwas hilflosen Erklärungen von SPD-Abgeordneten, die sich der versammelten Kritik der Netzgemeinde ausgesetzt sahen, vielleicht ein wenig Deckung.

Es ist jedenfalls interessant, dass für das Gesetz wohl nicht nur Abgeordnete gestimmt haben, die keine Ahnung haben (das wurde v.a. der SPD zugeschrieben) oder tatsächlich überwachungstechnische Überlegungen und Ausweitungen im Sinne haben (eindeutig CDU ;) ), sondern auch Leute, die tatsächlich ein wenig Ahnung von der Funktionsweise möglicher Sperren und des Internets im Allgemeinen (oder bin ich der einzige, der das TCP/IP-Zeug nicht versteht?) haben.
Das mag nur ein Gegenbeispiel für diejenigen sein, die der Politik Ahnungslosigkeit vorwirft, allerdings sollten mE die Maßstäbe auch auf der anderen Seite angesetzt werden. Ich finde nicht unbedingt, dass der im Brief angedeutete harsche Ton das große Problem der Debatte ist, sondern der grobe Unsinn, der von beiden Seiten verbreitet wird.
Selbstverständlich gibt es gute und fundierte Kritik an den Sperren, sowohl bei netzpolitik.org, im lawblog, beim Niggemeier und in vielen anderen Blogs, Foren, Diskussionsrunden etc., aber exemplarisch für den Unfug, der sonst so behauptet wird, stehen für mich die beiden Youtube-Videos, die von den Moderatoren im Wahlforum präsentiert wurden:



Der erste Kerl (ab 2:05) behauptet, "wer dieses Grundrecht [er meint die "Informationsfreiheit"] einschränkt, handelt verfassungswidrig".
Das ist Blödsinn. Erstens ist die Informationsfreiheit nicht im eigentlichen Sinne ein Grundrecht, wahrscheinlich meint er die Rezipientenfreiheit aus Art. 5 I 1 2.Hs GG, die im Zuge der Informationsfreiheit geregelt wurde und einenen Bestandteil derselben darstellt. Das ist eine Kleinigkeit. Grob falsch ist allerdings, dass er meint, diese dürfe nicht eingeschränkt werden. Dafür hätte der gute Mann einfach mal ins Grundgesetz gucken sollen: Art. 5 II besagt nämlich, dass "diese Rechte" (also die aus Absatz 1) "ihren Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und im Recht der persönlichen Ehre [finden]". Sowas.
Natürlich ist damit nicht gesagt, dass von der Leyens Kinderpornosperre verfassungsgemäß ist, schließlich muss einmal der Schutzbereich der Rezipientenfreiheit erst eröffnet sein (ist es das, wenn Kinderpornoseiten gesperrt werden?), zweitens ist nicht gesagt, dass das Gesetz zum Schutz der Jugend oder der persönlichen Ehre dient, denn dafür müsste die Sperre ja eigentlich auch wirksam sein und drittens, wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, muss diskutiert werden, inwiefern das Ding verhältnismäßig ist, auch das ist ja fraglich.
Aber trotzdem ist die Aussage des ersten Youtube-Heinis schlichtweg falsch

Noch viel schlimmer ist allerdings der zweite Beitrag. "Inhalte, die kritisch sind, die gegen unsere Verfassung sind, müssen gelöscht werden. Und zwar dauerhaft."
Ich glaube nicht, dass er meint, dass kritische Inhalte gelöscht werden müssen, das wäre ein bissjen seltsam und kritisch meint er wohl im Zusammenhang mit "gegen unsere Verfassung". Nicht einmal der konservativste Law-and-Order CDUler würde so etwas fordern. Derjenige, der durch die Sperren einen Angriff auf Meinungs- und Informationsfreiheit sieht, der sollte sich vielleicht einmal klar machen, was Meinungsfreiheit überhaupt bedeutet...
Verfassungswidrig ist z.B., wenn ich sage, dass die Wehrpflicht als Einrichtung unnötig und schädlich ist, denn Art. 12a regelt genau diese. Verfassungswidrige Aussagen zu treffen, ist von der Meinungsfreiheit abgedeckt, anders ist das bei strafrechtlich relevanten Inhalten, also bei Holocaustleugnung, Volksverhetzung oder... Kinderpornografie (§ 184b StGB).

Hier offenbart sich ein großes Problem der Debatte, die Kritiker werfen den Politikern Unwissenheit vor und haben selbst immer mal wieder keine Ahnung. Vielleicht mag das kein allgemeiner Fakt sein, es ist jedenfalls das, was derjenige, der zu Hause vor dem Fernseher diese Diskussionen mitverfolgt, mitbekommt. Warum wundert sich denn dann die Netzgemeinde, wenn 91% der Bevölkerung für die Sperren sind?

Vielleicht einfach deswegen, weil jeder meint, sich zu einem Thema äußern zu können, von dem er genauso wenig versteht, wie die, die er kritisiert?

Montag, 14. September 2009

Fairsehen.

Ja, auch ich fande das TV-Duell ziemlich langweilig. Das ist keine große Überraschung. Ich bin auch von "meinem" Kandidaten Frank-Walter Steinmeier nicht sonderlich begeistert, er hat einige Gelegenheiten verpasst, Klartext zu reden. Gerade die "Wachstum über alles"-Aussage von Merkel hätte er gerne auseinandernehmen dürfen und auch die Blockierungen von der Union hätten stärker thematisiert werden müssen, so wurden sie zwar immer mal wieder eingeschoben, aber nicht unbedingt in den Mittelpunkt gestellt. Man hatte also hüben wie drüben irgendwie den Eindruck, die große Koalition würde gerne so weitermachen. Auch Gesine Schwan wurde nicht richtig verteidigt, Steinmeier hätte darauf hinweisen sollen, wie die CDU mal mit Hilfe der NPD einen Präsidenten wählen wollte und dass Horst Köhler mit seinem "Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt" und anderem, früherem neoliberalen Geschwätz nun wirklich kein guter Bundespräsident ist.
Allerdings war der Steinmeier insgesamt grundsolide und kam nur bei Ulla Schmidt ein wenig ins Schwimmen. Neben einer langweiligen und fast mürrischen Kanzlerin, deren Backenfalten noch ein wenig tiefer hingen als sonst, gab es einige Punkte zu machen. Mindestlohn und Atomausstieg wurden mit schönen Bildern ("in Asse schwimmen Fässer in Salzlake, die vor sich hin rosten") bekräftigt und Merkel verbrachte tatsächlich 90 Minuten ohne eine einzelne inhaltliche Aussage. Die Steuersenkungen konnte sie nicht erklären, nur, dass es ja gar nicht um so viel Geld geht wie bei der FDP und damit irgendwie auch zu verantworten wären. Naja.
Ärgerlich waren die ständigen Äußerungen Steinmeiers über die Verantwortungsflucht von Lafontaine, dafür schaffte er es noch besser als Merkel, das "Präsidiale" zu verkörpern, man hatte in den ersten Minuten wirklich nicht das Gefühl, man hat es mit Kanzlerin und Herausforderer zu tun, sondern eher umgekehrt.
Die ständigen Nullaussagen von Angela Merkel findet man auch nur solange belanglos, bis man merkt, dass dahinter Methode steckt: Wahlkampfvermeidung, Vermeidung von klaren Positionen, bloß keinen Angriffspunkt liefern. Das mag erfolgreich sein, ist aber zutiefst undemokratisch. Der Wähler hat ein Recht auf eine Debatte und eine Kanzlerin muss ihr Programm präsentieren und sich vor allem auch attackieren lassen. Das gestern soll tatsächlich der letzte Auftritt von Merkel im TV mit einem Diskussionsgegner aus einer andern Partei gewesen sein. Selbst in die "Elefantenrunde" wird sie ihren Vize Wulff schicken.
Ein weiteres Ärgernis des Tv-Duells waren die 4 Moderatoren. Mal davon abgesehen, dass niemand so viele Leute braucht, hat Plasberg, den ich meistens ganz in Ordnung finde, mit seinen Zwischenrufen unglaublich genervt, Kloeppel hatte nicht nur eine hässliche Krawatte, sondern stellte auch die erwarteten Boulevard-Fragen ("Duzen Sie sich eigentlich?"), Illner war gewohnt harmlos und nur der komische Sat.1-Mann, den ich gar nicht kenne, stellte einigermaßen intelligente Fragen.
Im Übrigen finde ich das Format "Duell" eigentlich viel geeigneter für eine Diskussion als die Runden mit 4-5 Leuten, in denen sich jeder (inklusive Moderator) ins Wort fällt und am Ende doch kein Ergebnis steht. Allerdings haben die Oppositionsparteien auch nicht ganz unrecht, wenn sie kritisieren, dass FWS keine wirklich realistische Chance auf das Kanzleramt hat. Allerdings hat er diese Option -rein rechnerisch- schon eher als Künast, Westerwelle oder Lafontaine und Diskussionsrunden mit sich gegenseitig ankeifenden Politikern gibt es nun wirklich genug.

Samstag, 5. September 2009

Frösche.

Es beginnt jetzt die Zeit, in der es sich selbst die CDU eigentlich nicht mehr erlauben kann, keine klaren Aussagen in den Wahlkampf zu packen und so langsam offenbart sich dann auch, was mit Schwarz-Gelb so auf uns zukommen wird.
Die FDP hat damit diese Woche schonmal angefangen. Wobei ich es phänomenal finde, dass bisher tatsächlich 15% der Deutschen glauben, Schuldenbremse, massive Steuersenkungen und keine Einschnitte im sozialen Bereich ließen sich vereinen... Naja, ich fand bis jetzt diese Steuersenkungsversprechen nicht nur deswegen widerlich, weil einseitig Besserverdiener entlastet, Geringverdiener aber so gut wie gar nicht entlastet werden (das kann man noch unter "ideologische Differenzen" verbuchen), sondern vor allem deswegen, weil da eine gehörige Portion Unrealismus mitgeschwungen war. Das ist aber jetzt erstmal vorbei. Die FDP zeigt ihre hässliche Fratze:

Teil 1: Welt.de: Westerwelle wettert gegen "bezahlte Faulheit"Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle will bei einem Wahlsieg Korrekturen in der Sozialpolitik vornehmen. „Die Treffsicherheit des Sozialstaates muss größer werden“, sagte Westerwelle der „Saarbrücker Zeitung“.Er betonte: „Es gibt kein Recht auf staatlich bezahlte Faulheit.“ So sei es unerträglich, wenn manche Arbeitslose in Talk-Shows erklärten, sie lebten vom Sozialstaat und arbeiteten schwarz und gleichzeitig das normal arbeitende Publikum beschimpften. „Die werden bei uns kein Geld bekommen.“
Jetzt wissen wir alle, woher Guido Westerwelle sein Welt- und Menschenbild her hat: Aus Talkshows. Glückwunsch. Ansonsten heißt "Treffsicherheit des Sozialstaates" natürlich Kürzungen in den Leistungen. Hartz4 reicht nicht, die Leute sind immer noch faul, also kriegen sie noch weniger. Das ist die Botschaft.

Teil 2: Wolfgang Kubicki für Mehrwertsteuererhöhung nach der Bundestagswahl

Kubickis Aussagen sind entlarvend. "Von indirekten zu direkten Steuern" also. Steuersenkungen also nur im Bereich der Vermögenssteuer (deren Erlöse v.a. von Gutverdienern kommen) hin zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer (einen Satz, den jeder zahlen muss).

Jetzt sollte also wirklich auch der allerletzte wissen, mit wem er es bei der FDP zu tun hat. Steuersenkungen sind nur solange FDP-Versprechen, wie das Klientel bedient wird. Als solche Klientelpartei ist es natürlich auch einfach, die Schwachen der Gesellschaft weiter zu gängeln, an Wählern werden sie schlimmerweise wohl nicht mehr verlieren...

Und wer noch ein bissjen Stoff dafür braucht, die andere böse Partei genauso verabscheuenswürdig zu halten, der soll sich doch bitte mal die beiden Rüttgers-Videos (eins und zwei) angucken und sich mit mir über den rassistischen Unterton ärgern.

Zum Schluss gibts dann noch das bisher gelungenste Wahlkampf-Video dieses Jahres (ist es überhaupt ein Wahlkampfvideo? Naja, egal):

Donnerstag, 3. September 2009

Wüst.

Eigentlich wollte ich nochmal ausführlich das Oasis-Ende kommentieren und ein bisschen nachtreten, allerdings hat das Lukas Heinser auf coffeeandtv schon so gut gemacht, dass gar nicht mehr viel zu sagen ist. Ich kann auch gar keine besondere persönliche Oasis-Geschichte liefern, denn meine Liebe zum Britpop wurde eher durch die Libertines, Maximo Park und Konsorten gewecket, zu einer Zeit, als die beste Zeit von Oasis nunmal schon etwas länger vorbei gewesen war. Irgendwann hab ich mir dann mal die ersten beiden Alben gekauft, war begeistert und hab den ganzen Rest auch noch gekauft und jeweils nach einem Hördurchgang ins Regal gestellt. Wenn man also die tolle B-Seiten Sammlung mal ausnimmt, haben Oasis seit 14 Jahren kein gutes Album mehr und nur eine Handvoll guter Songs (Stop Crying Your Heart Out!!) zustande gebracht. Meine Zuneigung zu Oasis hat sich dann alle paar Wochen mal, wenn auf schlechten Partys zwischen Ri-Hanna und den Disco Boys Wonderwall lief und man sich mit den andern Betrunkenen im Arm lag und mitgröhlte, geäußert.
Deswegen halte ich den Split (so er denn Bestand hat) für keinen besonders großen Verlust für die Musikwelt, denn ob da nochmal ein Album jenseits von Selbstreferenz gekommen wäre, ist wohl fraglich. Natürlich hätte ich Oasis nochmal gerne live gesehen (wie wahrscheinlich auch eine ganze Menge Rock-Am-See-Besucher), aber ich muss ja bereits auf die Beatles, Led Zeppelin und Nirvana verzichten, da kann sich Oasis in der Unrealistische-Wünsche-Liste gerne hinten einreihen.
Wer ein bissjen mehr trauern will, dem sei der Eintrag von meiner Mitbewohnerin und Oasis- Fanatikerin Isabel empfohlen, die ähnlich wenig Freude am Oasis-Split hat wie... (via taz-popblog)

Montag, 31. August 2009

Der Schlafwagen.

1978 hat Jürgen Todenhöfer (Zitat Herbert Wehner: "Hodentöter") mal Helmut Kohls Wahlkampf mit "Im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht" beschrieben.
Damit hatte er allerdings unrecht. Helmut Kohl durfte später 16 Jahre Kanzler sein und hat das Land so wenig geprägt wie kein Bundeskanzler vor ihm, darf sich aber trotzdem als Wiedervereinigungskanzler feiern lassen, weil diese ihm irgendwie vor die Füße gefallen ist. Naja.
Kohl löste seine Konflikte immer mit Aussitzen und Abwarten und war damit machtpolitisch ziemlich erfolgreich. Jetzt werden wir schon wieder von so jemandem regiert, der bzw. die jede politische Auseinandersetzung scheut und bloß nicht aneckt.
Eigentlich ist das als Kanzlerin in einer großen Koalition gar nicht falsch, schließlich muss sie da Kompromisse zwischen zwei eigentlich recht weit voneinander entfernten Lagern finden. Das macht sie auch ziemlich gut, das muss man mal so sagen. Und geschickt ist es auch immer wieder, SPD-Positionen zu entkräften, indem sie einfach das gleiche fordert (erst mal Steinmeier für seinen Vollbeschäftigungsplan als "unredlich" beleidigen und dann sagen, dass man das ja auch will; oder Beispiel Afghanistanabzug) oder Kompromisse als ihre eigenen Positionen verkauft. So geschehen bei Opel. Merkel hat ein ganz gutes Gespür dafür, was gerade im Volk vor sich geht und wenn das gerade etwas unübersichtlich ist, dann wartet sie einfach ein paar Tage ab, bis sich in der öffentlichen Debatte eine allgemeine Strömung herauskristallisiert und übernimmt die dann kurzerhand (Beispiel ist die späten Reaktion bei dem Steinbach-Vertriebenen-Kram). Unangenehme Themen packt sie gar nicht an (Internetsperren, na gut, da ist auch davon auszugehen, dass die gute Frau wie etwa 90% der übrigen Bundestags-abgeordneten keine Ahnung hat) oder tut alles, damit niemand die Entscheidungen mit ihr in Verbindung bringt. Nicht anders ist es zu erklären, dass SPD und CDU an Wählerstimmen verlieren, aber die Kanzlerin an Beliebtheit gewinnt. Als sie vor ein paar Wochen bei Sandra Maischberger (ich glaub, es war sie, könnte aber auch eine andere Talk-Tante gewesen sein) war, hat man sie nicht in die Diskussionsrunde gesetzt, sondern quasi ein Privatgespräch mit Merkel und danach eine Diskussionsrunde mit anderen Gästen über dieses Gespräch geführt.
Weiß denn irgendjemand für was die CDU steht? Für Steuersenkungen? Aber doch nur, wenns wieder gut läuft nach der Krise. Für Steuererhöhungen? Der Oettinger hat da mal was gesagt und irgendwie ist das hängen geblieben, weil keiner so richtig dagegen war. Regulierung der Finanzmärkte? Ach was, das Thema ist doch längst gegessen, es gibt ja wieder Aufschwung oder sowas und Merkel will ja auch "zurück zur Normalität". Und für welchen dieser Punkte steht eigentlich die Kanzlerin?
Wie oft haben sie alle dem Steinmeier Profillosigkeit vorgeworfen, aber dass Angela Merkel diese Profillosigkeit als Erfolgsrezept nutzt, wird jetzt erst so richtig deutlich, wenn alle warten, dass der Wahlkampf losgeht.
Für die CDU ist das, was Angela Merkel veranstaltet, wahrscheinlich wirklich die beste Möglichkeit, die Wahl zu gewinnen. Aber zu welchem Preis?
Alle Welt, die Politikerwelt macht da kräftig mit, schimpft über das Desinteresse der jungen Leute an der Politik (teilweise auch zurecht), die geringe Wahlbeteiligung und dann wartet alles auf Wahlkampf und öffentliche Debatten und die größte Partei macht einfach nicht mit. Daran ist nicht alleine die CDU schuld (das wird hier ganz gut deutlich, wenn auch der Artikel mit etwas Distanz gelesen werden sollte, aber das ist ein anderes Thema). Gerade die Wahlen an diesem Wochenende haben gezeigt, dass die Wahlbeteiligung steigt, wenn wirklich gekämpft und diskutiert wird. Nachzulesen hier.
Im Prinzip kann man eine Sache daraus ableiten: Jede Vermeidung von Wahlkampf ist nicht nur entmündigend, sondern auch zutiefst undemokratisch und nur ein Akt der Machterhaltung aus Egoismus.

Samstag, 22. August 2009

One Day In... Bensheim.

Wenn ich mal wieder mit dem Zug von meinem Heimatsort zu meinem Studienort fahre, dann endet das immer mal wieder in einer Odyssee. Normalerweise ist die Deutsche Bahn schuld (dämliche Fahrpläne, ewige Umstiegszeiten, Zugverspätungen, Zugausfälle etc.), manchmal ist es aber die eigene Doofheit und die Bahn ist "schuld" daran, dass das Ganze nicht zum Desaster wird.
Der ein oder andere wird mitbekommen haben, dass Mainz 05 heute großartigerweise 2:1 gegen Bayern München gewonnen hat. Da ich bereits seit einiger Zeit keine Dauerkarte mehr habe, musste auch dieses Spiel ohne mich ablaufen und mir blieb nichts anderes übrig, als die BuLi-Konferenz im Radio übers Handy zu hören (offenbar ein gutes Omen, das historische 2:0 gegen Fürth und der Aufstieg am nachfolgenden Spieltag der letzten Saison hab ich auch auf diesem Weg verfolgt).
Jedenfalls hätte ich heute ausnahmsweise eine wirklich entspannte Zugfahrt haben können. Einstieg um 15.18, Ausstieg um 17.43, also Zugfahren mit Stöpsel im Ohr und ja einem wunderbaren Ausgang. Problematisch war nur das Umsteigen. Da kann ja auch viel passieren. Man kann aufs falsche Gleis gehen, in den falschen Zug steigen oder seine Tasche im Zug vergessen. Naja.
Es war gerade kurz vor 5 und das Spiel ging in die heiße Phase (der Reporter hatte gerade eindrucksvoll geschildert, wie Müller einen Müller-Schuss mit einer Glanzparade vereitelte), als ich in Bensheim in den Zug nach Weinheim stieg und meine Reisetasche währenddessen zurück nach Worms fuhr. Gemerkt hab ich das Ganze dann nach Abfiff um 17.22. Dann ging es in Panik mit dem IC zurück nach Bensheim, wo dann eine Stunde damit verbracht wurde, etliche Service-Hotlines der Bahn anzurufen ("Dieser Anruf kostet sie nach dem Piep 1,99 €"). Natürlich haben samstags die Schalter der Bahn geschlossen und so blieb mir nichts anderes übrig, als auf den Zug von Worms nach Bensheim zu warten und zu hoffen, dass dies der selbe war, in dem ich meine Tasche liegenließ. Ab hier wird die Geschichte unspektakulär, ich stieg in den Zug ein, fand erstmal nix, fragte den Zugführer und der zeigte mir meine Tasche ("Wie kann man nur so eine große Tasche vergessen? Zu viel Bier oder was?").
Nunja. Auf jeden Fall weiß ich jetzt, dass es nichts bringt, bei der Bahn seinen Sachen hinterherzutelefonieren. Angekommen bin ich dann um 8 Uhr abends (5 Stunden Fahrzeit schlägt alles...).
Warum ich das jetzt alles geschrieben habe? Ich war schlichtweg im Urlaub (siehe Bild unten) und möchte mein Blog mal wieder mit Inhalt füllen. Ich bin dann jetzt also wieder da.

Freitag, 14. August 2009

Skandal.

Nachdem ich vorgestern ja bereits ein paar Worte zur "Guttenberg lässt Gesetz von Kanzlei schreiben"-Geschichte geschrieben habe und erfreut registriere, dass fast alle Medien darüber berichten, habe ich mich heute mal aus Neugierde auf die Website von der bösen Zeitung begeben und der "Politik"-Teil (andere Aufmacher: "Soli endlich weg?", "Kerkeling macht uns die Bundes-Ulla") hat unsern Baron auch gleich als Schlagzeile: Klack. Bitte lesen.
Jetzt wissen wir auch, was die Bild-Zeitung von diesem kleinen Skandal hält. Selbstverständlich werden Fehltritte von Ulla Schmidt und Karl-Theodor zu Guttenberg absolut gleich behandelt. Die Bild ist schließlich überparteilich. Und Skandal ist schließlich Skandal. Alles, was wir über die Bild-Zeitung gelernt haben, können wir nun über den Haufen werfen.
Nein? Ihr habt den Artikel tatsächlich gelesen? Wie, der hatte gar nix mit der Kanzlei und den Gesetzen zu tun? Obama? Was macht Obama in einem kritischen Artikel über die Verfehlungen unseres Wirtschaftsministers? Wir bleiben ratlos zurück. So in etwa:

Naja. Vielleicht nicht ganz so schlimm. Jedenfalls haben wir jetzt alle etwas zum aufregen.
Und wenn wir damit fertig sind, können wir uns über den doch eigentlich unglaublich tollen Bild-Artikel freuen, der herrlich absurde Obama-Guttenberg-Vergleiche zieht:

Beide haben einen außergewöhnlichen Namen

Naja, "außergewöhnlich" ist Ansichtssache, "Hussein" ist laut Wikipedia ein "weit verbreiteter Name" und dass Adlige und Promis nicht anderes zu tun haben, als eine Millionen Namen für ihre Kinder auszusuchen, ist ja jetzt auch kein Geheimnis. Aber immerhin ein Absatz ohne völligen Unsinn. Daumen hoch!

Beide haben Ausstrahlung

Mag sein, dass Guttenberg für einen deutschen Politiker tatsächlich ein wenig Ausstrahlung hat, er darf sich ja auch neben Angela Merkel profilieren, der Frau, die "Ausstrahlung" nun wirklich nicht erfunden hat. Die Begründung am Ende des Absatzes ist aber herrlich komisch:
Beide gelten als kinderlieb, können offen auf Menschen zugehen. Guttenberg hat einmal Märchen für eine Schulklasse vorgelesen, auch Obama versteht sich gut mit Kindern.
Manchmal hat man wirklich das Gefühl, bei Obama und Guttenberg handle es sich um ein und diesselbe Person bei all diesen Gemeinsamkeiten...

Der persönliche Hintergrund der beiden Politiker

Beim persönlichen Hintergrund Gemeinsamkeiten zu finden, ist natürlich abenteuerlich. Trotzdem werden die beiden Lebensläufe mal vorgestellt, und "persönlicher Hintergrund" ist eine der Unterüberschriften von "Bild macht den Vergleich!". Egal.

Kompetenz

Hier werden nur die Beliebtheitswerte der beiden erwähnt, die anscheinend ein Zeugnis von besonders hoher Kompetenz gelten. Aha. Dann sollten wir wirklich hoffen, dass Horst Schlämmer nächster Kanzler wird. Denn der ist ja beliebt...

Karriere:

Obamas und Guttenbergs Laufbahnen sind beeindruckend. Beide sind Selfmade-Männer, haben sich hart hochgearbeitet.

Hahahahaha... Moment. Das ist nicht lustig? Sondern Hohn und Spott für jeden, der sich von unten nach oben gekämpft hat?
Zur Erinnerung: Guttenberg hat einige Millionen geerbt, ist aus einer 800 Jahre alten fränkischen Adelsfamilie und Vater und andere Vorfahren waren ebenfalls bereits in hohen politischen Positionen. Ich will nicht behaupten, dass alleine diese Aspekte ausschlaggebend für Guttenbergs Karriere gewesen waren, aber "Selfmade-Mann" ist Blödsinn.

Irrtümer:
Mehrere Zeitungen nahmen an, Guttenberg trage unter anderem den Vornamen „Wilhelm“. Das stimmt aber nicht. Auch schrieben Zeitungen, Guttenberg habe erfolgreich eine Firma für Trockenbau, Isoliertechnik und Dämmstoffe geleitet. Eine Fehlinformation. Über Obama gab es wegen seines zweiten Vornamens Hussein Gerüchte, er sei muslimischen Glaubens. Stimmt nicht, er ist Christ.

Natürlich sind beide Fakten eine Posse und es gab nur deswegen "Irrtümer" und "Gerüchte", weil Medien wie Bild solch einen Unsinn durch die Welt posaunen und Gerüchte bedienen. Mal ganz davon abgesehen, steckte Bild in der Wilhelm-Geschichte ja auch ganz tief drin.

Sternzeichen:

Wenn ihr jetzt glaubt, Bild würde unter der "Gemeinsamkeiten"-Auflistung jetzt endlich mal eine belanglose Belanglosigkeit rausgefunden haben, dann dürft ihr euch jetzt freuen (und nein, das Sternzeichen ist nicht gleich, das wäre ja auch zu viel bei schon so vielen Gemeinsamkeiten):
Obama ist Löwe. Sein Element ist das Feuer.Guttenberg ist Schütze. Auch sein Element ist das Feuer!

Daraus kann nur folgen:

Ist Karl Theodor zu Guttenberg also der deutsche Barack Obama?

Er ist jedenfalls auf einem guten Weg dahin...

Mittwoch, 12. August 2009

Kampf.

Jede Woche darf man in einer beliebigen Zeitung lesen, dass der Wahlkampf JETZT aber doch wirklich begonnen habe. Dann haut der Steinmeier mal zwei Sätze raus, die harmlos sind, aber von irgendwelchen SPDlern hochgejazzt werden, weil es hat ja der Steinmeier gesagt und der Steinmeier ist ja sonst nicht so. Ich bin ja nun wirklich kein großer Freund von den sogenannten Schröderianern in meiner Partei, von wegen rechter Flügel und so. Allerdings bin ich jetzt auch nicht unbedingt der Meinung, dass diese Leute keine sozialdemokratische Politik mehr glaubhaft machen können, wenn sie doch für Hartz4, Deregulierung und Rente mit 67 und den ganzen andern Quatsch stehen. Ich persönlich kaufe Steinmeier und Steinbrück ab, aus den Fehlern gelernt zu haben, die zur Finanzkrise führten, und eine Rundumerneuerung der SPD ohne die prominenten Zugpferde würde die Partei wahrscheinlich auch nicht über die 30% katapultieren.
Mal davon abgesehen, finde ich die Grundidee, die dem Deutschland-Plan zugrunde liegt, toll. Mag sein, dass Vollbeschäftigung unrealistisch ist, aber hey, es ist ein ZIEL, kein Wahlversprechen. Und ein bissjen Idealismus schadet uns ganz sicher auch nicht. Jedenfalls lieber für Vollbeschäftigung kämpfen, als für Steuersenkungen, die genauso unrealistisch und zudem noch unsozial sind. Mal ganz davon abgesehen können Sachen von der SPD, die sogar die nachdenkseiten loben (naja, etwas verhalten, aber immerhin) einfach gar nicht schlecht sein. Und auch Steinbrücks Engagement gegen Steueroasen und -Hinterzieher finde ich glaubhaft, sonst hätte er sich wohl kaum so in die politische Schusslinie gestellt.
Jedenfalls hat diese Woche der Wahlkampf schon wieder begonnen (und diesmal aber wirklich), Angela Merkel ist nämlich aus dem Urlaub zurück. Eine solche Begründung ist natürlich ein bissjen abenteuerlich, denn kein Mensch hat gemerkt, dass sie im Urlaub war und sie hat dort in etwa genau soviele markante Aussagen getroffen wie sonst auch: Keine.
Ich kann mir vorstellen, dass es ziemlich eklig sein muss, Wahlkampf gegem eine Partei zu führen, die dabei partout nicht mitmacht. Es hat das ganze Jahr über politische Diskussionen gegeben, aber kaum ist Sommerpause und Ulla Schmidts Dienstwagen wird zu einem Skandal hochstilisiert. Diese ganze Medienkampagne (anders kann man das unsägliche Lamentieren über eine Nichtigkeit gar nicht nennen) ist gerade dann abscheulich, wenn man bedenkt, dass es bei einem CDU-Minister wahrscheinlich eine kleine Randnotiz geblieben wäre und höchstens in ein paar Blogs diskutiert worden wäre. Wenn z.B. der Althaus mal wieder Wahlkampf mit seinem Unfall macht, indem er sagt, dass doch bitte seine Gegner keinen Wahlkampf mit seinem Unfall machen sollen und dabei noch einige andere fragwürdige Selbsteinschätzungen abgibt, dann fehlt da die Bild-Zeitung, um den Skandal bekannt zu machen, denn die hat sich schon längst für Althaus einspannen lassen. Gestern hat CSU-MdB und rechtspolitischer Sprecher Norbert Geis einfach mal alle Schwulen pauschal im Morgenmagazin beleidigt und als "Fehlentwicklungen" bezeichnet und kein Medium springt drauf an. Hier liegen die echten Skandale. Warum kann man sowas nicht mal den Leuten unter die Nase halten? Aber vielleicht haben wir ja jetzt Glück und die Verfehlungen des beliebtesten Schmierlappens der Republik werden breit thematisiert. Guttenbergs Wirtschaftsministerium hat einfach mal eine externe Kanzlei einen Gesetzesentwurf ausarbeiten lassen und ihn sogar noch mit deren Briefkopf verschickt. Es ist ja nicht so, dass da ein ganzes Ministerium voller Juristen sitzt, nein, die können Steuergelder verschwenden, indem sie einfach andere dafür bezahlen, dass sie ihre Arbeit machen und Ulla Schmidt wird für ein paar Tausend Euro in der Presse zerrissen, für einen Sachverhalt, an dem es rechtlich wohl nichts zu beanstanden gab. Dass besagte Großkanzlei wohl auch noch fröhlich mitmischt im Spiel mit den Pleitebanken, ist jetzt auch nicht als besonders positiv zu vermerken. MdB Wolfgang Wieland:
“Eine Kanzlei zu beauftragen, die ansonsten mit maroden Banken ihr Geld verdient, ist ungefähr so, als ob man zum Trockenlegen des Sumpfes die Frösche beauftragt.”
Auch die Ausflüchte, die im Filterblog ("solange ein Parlament über den vom Ministerium oder eben einer X-beliebigigen Anwaltskanzlei verfassten Gesetzentwurf anschließend abstimmt, sollte es doch an sich für den Inhalt piepegal sein, wer ihn nun entworfen hat, oder?") genannt werden, lasse ich nicht gelten. Klar, das Parlament kontrolliert das ganze. Aber wir brauchen doch keine Ministerien, wenn diese ihre Arbeitsaufträge einfach an irgendwelche Kanzleien weitergeben. Das ist ziemliche Steuergeldverschwendung. Und außerdem soll doch bitte ein Ministerium eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber Unternehmen und Kanzleien wahren.
So.
Eigentlich wollte ich jetzt noch über ein paar Wahlkampfstilblüten schreiben, aber meine Leser haben hier eh schon aufgehört zu lesen und eigentlich sind es diese Possen gar nicht wert, erwähnt zu werden.
Naja. Erstens gibts diese wunderbar absurde Kampagne von Vera Lengsfeld. Und zweitens den tollen Schäuble-Plakate-Remix von netzpolitik.org, gegen den die CDU natürlich gleich mal klagen wollte.

Und ganz zum Schluss dieses tolle Video, das man sich zweimal ansehen muss, um es zu verstehen: