Montag, 31. August 2009

Der Schlafwagen.

1978 hat Jürgen Todenhöfer (Zitat Herbert Wehner: "Hodentöter") mal Helmut Kohls Wahlkampf mit "Im Schlafwagen kommt man nicht an die Macht" beschrieben.
Damit hatte er allerdings unrecht. Helmut Kohl durfte später 16 Jahre Kanzler sein und hat das Land so wenig geprägt wie kein Bundeskanzler vor ihm, darf sich aber trotzdem als Wiedervereinigungskanzler feiern lassen, weil diese ihm irgendwie vor die Füße gefallen ist. Naja.
Kohl löste seine Konflikte immer mit Aussitzen und Abwarten und war damit machtpolitisch ziemlich erfolgreich. Jetzt werden wir schon wieder von so jemandem regiert, der bzw. die jede politische Auseinandersetzung scheut und bloß nicht aneckt.
Eigentlich ist das als Kanzlerin in einer großen Koalition gar nicht falsch, schließlich muss sie da Kompromisse zwischen zwei eigentlich recht weit voneinander entfernten Lagern finden. Das macht sie auch ziemlich gut, das muss man mal so sagen. Und geschickt ist es auch immer wieder, SPD-Positionen zu entkräften, indem sie einfach das gleiche fordert (erst mal Steinmeier für seinen Vollbeschäftigungsplan als "unredlich" beleidigen und dann sagen, dass man das ja auch will; oder Beispiel Afghanistanabzug) oder Kompromisse als ihre eigenen Positionen verkauft. So geschehen bei Opel. Merkel hat ein ganz gutes Gespür dafür, was gerade im Volk vor sich geht und wenn das gerade etwas unübersichtlich ist, dann wartet sie einfach ein paar Tage ab, bis sich in der öffentlichen Debatte eine allgemeine Strömung herauskristallisiert und übernimmt die dann kurzerhand (Beispiel ist die späten Reaktion bei dem Steinbach-Vertriebenen-Kram). Unangenehme Themen packt sie gar nicht an (Internetsperren, na gut, da ist auch davon auszugehen, dass die gute Frau wie etwa 90% der übrigen Bundestags-abgeordneten keine Ahnung hat) oder tut alles, damit niemand die Entscheidungen mit ihr in Verbindung bringt. Nicht anders ist es zu erklären, dass SPD und CDU an Wählerstimmen verlieren, aber die Kanzlerin an Beliebtheit gewinnt. Als sie vor ein paar Wochen bei Sandra Maischberger (ich glaub, es war sie, könnte aber auch eine andere Talk-Tante gewesen sein) war, hat man sie nicht in die Diskussionsrunde gesetzt, sondern quasi ein Privatgespräch mit Merkel und danach eine Diskussionsrunde mit anderen Gästen über dieses Gespräch geführt.
Weiß denn irgendjemand für was die CDU steht? Für Steuersenkungen? Aber doch nur, wenns wieder gut läuft nach der Krise. Für Steuererhöhungen? Der Oettinger hat da mal was gesagt und irgendwie ist das hängen geblieben, weil keiner so richtig dagegen war. Regulierung der Finanzmärkte? Ach was, das Thema ist doch längst gegessen, es gibt ja wieder Aufschwung oder sowas und Merkel will ja auch "zurück zur Normalität". Und für welchen dieser Punkte steht eigentlich die Kanzlerin?
Wie oft haben sie alle dem Steinmeier Profillosigkeit vorgeworfen, aber dass Angela Merkel diese Profillosigkeit als Erfolgsrezept nutzt, wird jetzt erst so richtig deutlich, wenn alle warten, dass der Wahlkampf losgeht.
Für die CDU ist das, was Angela Merkel veranstaltet, wahrscheinlich wirklich die beste Möglichkeit, die Wahl zu gewinnen. Aber zu welchem Preis?
Alle Welt, die Politikerwelt macht da kräftig mit, schimpft über das Desinteresse der jungen Leute an der Politik (teilweise auch zurecht), die geringe Wahlbeteiligung und dann wartet alles auf Wahlkampf und öffentliche Debatten und die größte Partei macht einfach nicht mit. Daran ist nicht alleine die CDU schuld (das wird hier ganz gut deutlich, wenn auch der Artikel mit etwas Distanz gelesen werden sollte, aber das ist ein anderes Thema). Gerade die Wahlen an diesem Wochenende haben gezeigt, dass die Wahlbeteiligung steigt, wenn wirklich gekämpft und diskutiert wird. Nachzulesen hier.
Im Prinzip kann man eine Sache daraus ableiten: Jede Vermeidung von Wahlkampf ist nicht nur entmündigend, sondern auch zutiefst undemokratisch und nur ein Akt der Machterhaltung aus Egoismus.

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