Donnerstag, 15. Oktober 2009

Der grüne New Deal.

Der 27. September war ein schlechter Tag für Deutschlands Linke. Es gibt jetzt wieder eine Mehrheit der bösen Mischung aus einem rückwärtsgewandtem Weltbild der Intoleranz und lobbyistenparolengetränktem Wirtschaftsliberalismus, eine Konstellation, die man seit 1998 eigentlich in den Geschichtsbüchern verstauben lassen wollte.
Nach der ersten Ernüchterung des Wahlabends glaubte man dann im Trotz an die große Chance einer Neuformierung der Linken und vereinzelt hörte man sogar das Wort "Wiedervereinigung". Schließlich gibt es ja jetzt einen gemeinsamen Gegner und alle dürfen zusammen die Regierung scheiße finden (das durften erst nur die Linke und seit 2005 auch die Grünen). Jetzt hat es 2 Wochen gedauert und immerhin schien die Ausschließeritis der Linkspartei ein Ende zu haben.
Weit gefehlt.
Nach dem Matschie-Debakel in Thüringen war die Ankündigung einer Jamaika-Koalition durch die Grünen im Saarland schon abzusehen. In Lafontaine den Sündenbock zu sehen, halte ich für zu kurzsichtig, auch wenn bei dessen überraschender Erklärung, künftig im saarländischen Landtag sitzen zu wollen, zumindest der Zeitpunkt höchst unglücklich gewählt wurde. Einem Provinzpolitiker wie Hubert Ulrich ist es auch irgendwie nicht zu verdenken, dass er Schiss vor Lafontaine bekommen hat, schließlich hätte ihm dieser wohl ziemlich die Show gestohlen.
Viel interessanter als die persönlichen Vorbehalte von Ulrich sind aber zwei Fragen:

1. Welchen Einfluss auf die "Rest"-Grünen hat die Jamaika-Entscheidung?
2. Warum ist ein Wortbruch kein Wortbruch mehr?

zu 1.)
Die Grünen sind strukturell keine linke Partei mehr. Mag sein, dass Programm und Personen auf Bundesebene durchaus noch ein vernünftiges Wahlprogramm auf die Beine gestellt haben, die Wählerschaft selbst hat jedoch kein Problem mit CDU und FDP zusammenzuarbeiten. Beweise? Hier. Die Grünen werden immer mehr zur Lifestyle-Partei für Unpolitische, die Umweltschutz irgendwie cool finden. Anders lässt es sich auch nicht erklären, warum die SPD seit der Hartz4-Gesetzgebung enorm an Stimmen verloren hat, die Grünen aber sogar dazugewonnen haben. Warum wird, was der SPD, zu großen Teilen zu Recht, angelastet wird, nicht auch den Grünen vorgehalten? Sie haben sich, hier lehne ich mich etwas aus dem Fenster, zu einer Partei entwickelt, die gewählt wird, um das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Die Grünen sind, ohne dass ich ihnen unterstellen will, dies gewollt zu haben, zu einer Partei der Besserverdienenden geworden. Selbstverständlich gibt es bei den Grünen noch viele Leute, die bisher noch verhindern, dass Grün nur noch ein angestrichenes Gelb wird, aber die Zukunft lässt Böses erahnen. Ich finde es sehr problematisch zu sagen, man wolle mit CDU und FDP koalieren, weil man da "mehr grüne Inhalte" umsetzen kann. Zum Einen halte ich die Aussage nicht für besonders glaubwürdig, auch wenn die Union es ja auch auf Bundesebene schafft, so zu tun, als sei sie für Unmwelt- und Klimaschutz (Stichprobe: Was hat die Union auf diesem Gebiet in den letzten Jahre gemacht? Eben.). Zum anderen ist sogar eine saarlandspezifische Lösung mit Eingeständnissen insofern nicht gut, dass den Oppositionsparteien wichtige Stimmen im Bundesrat fehlen und eine Fundamentalopposition der Grünen in Regierungsverantwortung wohl nicht erwartet werden kann. Den Bundesgrünen wird somit ein Bärendienst geleistet.
Leidtragende der Jamaika-Koalition wird wieder mal die SPD sein. Die Grünen werden wohl belohnt, weil sie ein bissjen sozialdemokratische Politik in der Koalition durchgesetzt haben, die CDU kann sich weiter mit einem Minimum an Symbolpolitik (ein wudnerbares Beispiel ist das Beklatschen der Erhöhung des Schonvermögens heute, eine Maßnahme die gerade einmal 25 000 Menschen betrifft und somit ein leichtes Geschenk ist, weil kaum Kosten für den Staat anfallen) in der gesellschaftlichen Mitte breit machen, die SPD guckt in die Röhre.

zu 2.)
Wahlversprechen darf jeder brechen, aber ein Wortbruch ist es nur dann, wenn jemand mit der Linken koalieren will, oder?
Ich bin dafür, dass Hubert Ulrich und die saarländischen Grünen genauso behandelt werden wie Andrea Ypsilanti und die Hessen-SPD. Der eine sagt, er wolle den Ministerpräsidenten abwählen lassen und er wolle einen "Wechsel" und die andere will linke Politik ohne die Linke. Where's the fucking difference? Natürlich ist die Linke böse. Wie kann sie es wagen, Forderungen aufzustellen, die nicht finanzierbar sind? Das ist ja wie in der DDR. Und dann die ganzen hessischen und saarländischen Stasi-Spitzel. Mannomann.
Mal davon abgesehen, dass ich den "Wortbruch" in Hessen vom Prinzip her für nicht dramatisch halte (von der Wirkung her selbstverständlich schon), ist diese Ungleichbehandlung eigentlich ein Skandal. Die konservativen Medien (Faz, Bild, Spiegel, Zeit) haben mit einer beispiellosen Medienkampagne und mithilfe eines gekränkten Seeheimers ein vielversprechendes Projekt gekippt, das den "Wechsel" glaubwürdig versprochen hatte.
Jetzt versprechen Matschie und Ulrich eben diesen Wechsel, um mit der eigentlich abgewählten CDU, dem Kontrapunkt des politischen Konzeptes von SPD und Grünen, trotzdem zu koalieren. Hier liegt, vielmehr als in der Auswahl der Koalitionspartner, ein wahrer Wortbruch vor. Ich will nicht, dass jetzt gesagt wird, man wolle unbedingt mit der Linken koalieren. Es geht darum, dass man es MUSS. Argumente ob der SED-Vergangenheit führen in West-Bundesländern völlig ins Leere und im Osten sitzen die Parteikader und DDR-Linientreue ebenso in anderen Parteien, siehe Althaus. Es bietet sich die Chance, die eigenen Inhalte mit Parteien, die Ähnliches vertreten, durchzusetzen und sie wird vorsätzlich nicht genutzt, obwohl man versprochen hat, einen "Wechsel" zu wollen. Bei solchem Slapstick möchte man Verständnis für jegliche Politikverdrossenheit haben...

1 Kommentar:

  1. Interessant, wenn auch zu hart, finde ich deine Analyse der Grünen. Denn ich behaupte mal, dass die Grünen schon immer eine Partei waren, die nicht unbedingt klassische Wahlthemen (Wirtschaft, Arbeitsplätze, Steuern) ansprechen, sondern eben ihre "Spezialthemen" Umwelt, Bildung, usw. Zwar haben sie sich als Partei immens gewandelt, doch ich denke die meisten Wähler haben sie immer noch bei den Menschen, die andere Themenschwerpunkte setzen (dafür habe ich keine Zahlen, ist eher ein Gefühl, wenn ich so die Grünenwähler, die ich kenne, im Kopf durchgehe). Eigentlich recht erstaunlich, dass die Grünen nicht so viel in der Krise verloren haben, denn den Ruf einer Wirtschaftspartei haben sie nun wirklich nicht. Den hat aber die FDP. Für mich eigentlich relativ unverständlich warum, ich weiß nicht wirklich was so toll daran ist den Staat ohne große Not zu verschulden... Aber das war ja auch ein Vorwurf von Steinbrück, dass der SPD eben auch ein geringere Wirtschaftskompetenz nachgesagt wird.
    Völlig zu stimme ich dir bei der Feststellung, dass die SPD ziemlich allein für die Hartz-Gesetzgebung etc. bluten muss. Das ist dann aber auch irgendwie Eigenverschulden. Wenn man das vernünftig dargestellt hätte, dass 1. alle Parteien daran beteiligt waren und 2. dass diese Gesetze eben sehr sehr schmerzvoll aber nötig waren (davon bin ich mittlerweile nicht mehr so recht überzeugt). So sehr man auch der neuen Regierung jetzt vorwerfen kann nur Symbolkosmetik daran zu betreiben, man muss doch anerkennen, dass man gerade in einer Demokratie sich bestmöglich verkaufen muss und genau deshalb ist das kein schlechter Zug die Schonvermögen zu erhöhen, auch weil es nichts kostet.
    Was bis jetzt vielleicht noch nicht so beachtet wurde ist meiner Meinung nach auch ein kleiner Wandel der CDU: Durch von der Leyen in der Familienpolitik und durch deren linkeren Flügel graben die die SPD ganz gut Stimmen ab. Dass die CDU für Krippenplätze ist war ja noch vor 10 Jahren undenkbar. Überhaupt finde ich dass die Parteienlandschaft sich überhaupt sher gewandelt hat. Der SPD finde ich mittlerweile eigentlich die CDU näher als die FDP. Mit letzteren kann man irgendwie nicht mehr so viel anfangen. Wenn man mal überlegt, in den 70er noch hat die SPD den Kanzler gestellt, obwohl sie nur Zweitstärkste Kraft waren, aber eben für die FDP der bessere Partner. Undenkbar heute.
    Vielleicht auch, weil laut Spiegel (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,654709,00.html) verstärkt der menschliche Faktor hinzu kommt. Gerade auch im Saarland kennt wahrscheinlich noch jeder jeden und es spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie gut die Führungspersonen miteinander können. (Wobei das eigentlich immer eine wichtige Rolle spielt und meiner Meinung nach ist das auch nicht unbedingt so negativ zu werten. Ein Koch wird andere Politik betreiben als ein von Beust, trotz gleicher Partei...)
    Mit den Linken kann ich mich eigentlich auch noch gar nicht anfreunden. Man muss nur mal auf deren außenpolitisches Programm anschaun, um denen jedwedes Weltverständnis abzusprechen. Die Oppositionsstimmen im Bundestag sind glaube ich aber nicht verloren. Soweit ich weiß kann das Bundesland nur geschlossen seine Stimmen verwenden und die Praxis ist, sobald ein Koalitionspartner nicht einverstanden ist wird sich enthalten (was einem Nein entspricht). Das heißt, im Bundesrat stimmen nur schwarz-gelbe Länder oder komplett schwarze Länder im Sinne der Regierung. Ist jedenfalls meine Kenntnis der Dinge.

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