Samstag, 23. Mai 2009

Herrenwahl. Versuch einer Analyse.

Ein Tag ohne große Überraschungen neigt sich dem Ende zu. Wolfsburg. Ja. Egal. Gebt denen kein Forum, vielleicht kann man sie dann nächstes Jahr wieder vergessen. Den Köhler haben wir jetzt allerdings im schlimmsten Fall weitere 5 Jahre an der Backe. Spiegel Online und Tagesschau.de schaffen es, das Ganze sehr harmlos aussehen zu lassen. Und irgendwie kriegt man auch die Meinung durchgedrückt, dass die SPD froh sein soll, dass ihre Kandidatin nicht gewählt wurde, weil dann hätte es ja die "unsinnige Debatte"(SpON)um Rot-Rot-Grün, welche die Tagesschau "Schreckgespenst" nennt, gegeben. Dann gibt es noch einige lobende Worte über Horst Köhler ("überparteilich" blabla) und jeder darf mal über die SPD schimpfen. Der Umgang der sogenannten "Leitmedien" (da gibts ja auch noch faz.net, da steht aber nur relativ belangloses Zeug drin und wirklich ärgerlich ist nur die Behauptung, Köhler wäre ja gar nicht marktradikal) sowohl mit Frau Schwan als auch mit dem, was man im weitesten Sinne als "links" bezeichnen kann, ist erschreckend. Allein die fürchterliche Aufbauschung der "Ist-die-DDR-ein-Unrechtsstaat?"-Debatte und die völlig sinnfreie Kritik an Schwans Äußerungen belegen eine unglaubliche Meinungsmache. Zur Erinnerung, Gesine Schwan hat gesagt, die DDR sei kein Unrechtsstaat, weil man nicht sagen könne, dass alles, was in der DDR passiert ist, unrecht war. Punkt. An dieser Aussage muss man doch überhaupt nichts diskutieren. In der DDR haben sie bis 1976 immerhin noch mit Regelungen, die an das BGB angelehnt waren, Recht gesprochen. Und Mörder sind ins Gefängnis gekommen. (Naja, blödes Beispiel) Warum muss denn immer alles ein Unrechtsstaat sein, wenn Unrecht passiert? Glaubt irgendjemand, dass es bei uns keine Ungerechtigkeiten (auch im Sinne von Unrecht durch Recht) gibt? Hartz4 und die Studiengebühren sind durch das Verfassungsgericht abgesegnet worden. Und es sollen sogar schon einige Leute unschuldig im Gefängnis gesessen haben. Trotzdem nennen wir uns einen Rechtsstaat. Und sowas ist die DDR laut Schwan ja noch nichtmal. Man wird (vor allem bei den Leuten aus der Union) nicht müde zu betonen, dass man die DDR bloß nicht verharmlosen solle (Ostalgie und so). Dabei schafft man es selbst, den Nationalsozialismus so darzustellen, als gäbe es zwischen DDR und drittem Reich keinen Unterschied und man müsste am 8.Mai gleich zweier Diktaturen gedenken. Ist so etwas nicht viel gefährlicher, als wenn sich Leute treffen, um sich an ihre Zeit in der DDR zu erinnern? Wenn man einen solchen Vergleich eines wirklichen Unrechtsstaates hat, dann darf man doch innerhalb solcher Begrifflichkeiten schon ein bissjen eingrenzen und sagen, ja, die DDR war kein Rechtsstaat, aber der Unrechtsstaat, das war eben jenes System, das mit nichts verglichen werden kann und darf. Nur ein Punkt, in dem Gesine Schwan von vielen Seiten ungerecht bewertet wurde. Völlig schleierhaft ist mir zudem, warum man verurteilen muss, warum die Wahl einer Bundespräsidentin durch Stimmen der Linken so unheilvoll (s.o.) sein soll. Vorweg: Die Linke ist eine demokratische Partei und Dummschwätzer, die es da gibt, gibt es in jeder anderen Partei auch. Die Strategie der SPD, nämlich eine Koalition mit der Linken auf Bundesebene radikal abzulehnen, wird von den Medien weitgehend völlig unkritisch beleuchtet. Es wird sogar immer wieder die "Befürchtung" geäußert, dass sich die SPD an ihr Wahlversprechen nicht halten möchte (und man hält wahrscheinlich schon vorgedruckte Medienkampagnen a la Lügilanti bereit). Warum soll es für die SPD auch gut sein, mit der Partei zu koalieren, mit der sich 90% der SPD-Forderungen durchsetzen ließe? Rot-rot-grün ist für die SPD die einzige Option. Alles andere ist Etikettenschwindel oder glauben die ernsthaft, dass sie in einer großen Koalition den Mindestlohn durchsetzen können? Wenn dieses Thema so wichtig ist, wie es Münte und Steinmeier glauben lassen wollen, warum machen sie es dann nicht einfach? Man müsste mit der Linken noch nichtmal gemeinsam regieren, sondern einfach nur zusammen über eine Sache abstimmen, die der SPD vorgeblich sehr wichtig ist.
Jetzt wird von den üblichen Krawallmachern ja sogar noch vorgeworfen, die SPD rücke nach links. Die SPD mit Steinmeier und Müntefering?
Eine FDP-Abgeordnete hat tatsächlich behauptet, sie fände es ja toll, wenn eine Frau Bundespräsidentin werde, aber Frau Schwan wäre zu links. Gesine Schwan? Die Mitgründerin des Seeheimer Kreises? Auch das wird einfach so hingenommen. Kein Wort der Widerrede. Philipp Mißfelder, der immerhin JU-Vorsitzender und MdB ist, darf alle paar Monate mal ein paar Menschen beleidigen, sich dafür noch verteidigen und es passiert nichts. Ein bissjen Kritik von den Jusos und der Linken. Aber der Kerl ist immer noch JU-Vorsitzender und sitzt immer noch im Bundestag. Dem ist keiner "zu rechts" oder so.
Auch beim Focus schaffen sie es, irgendwie auf die SPD einzuhauen. „Der heutige Tag hat gezeigt, dass die SPD ohne Grüne und die Linke nicht mehrheitsfähig ist.“ Das schreiben die tatsächlich. Ein Politikwissenschaftler hat dem Focus diese Information ganz exklusiv zukommen lassen. Ich glaube, es wird mittlerweile einfach jeder Mist in einen Artikel geschrieben, der das, was die Konservativen als "links" verstehen, irgendwie ins schlechte Licht gerückt wird. Selbst hanebüchener Unsinn wie dieser, denn die CDU ist natürlich ohne die FDP absolut mehrheitsfähig. Weiter wird dann noch geschrieben, wie erleichtert die SPD doch ist, dass Köhler Bundespräsident bleibt (sowas muss man natürlich auch nicht mit Zitaten belegen) und noch etwas auf den "unglückliche Begriffsverwirrungen" rumgehackt. Aber was soll man auch von einer Zeitung erwarten, die ihre User tatsächlich die Politiker bewerten lässt. Erika Steinbach, über die zurecht viel diskutiert wurde, ist auf Platz 5, Friedrich Merz ("Mehr Kapitalismus wagen") auf Platz 3 und Andrea Nahles, SPD-Parteilinke auf Platz 94 von 94. Der am schlechtesten bewertete CDUler ist auf Platz 55 (Roland Pofalla hat sich diesen Platz allerdings auch verdient). ; stern.de schafft es tatsächlich Volker Kauder zu entlocken, dass die Niederlage von Gesine Schwan die SPD nochmal anreizen sollte, über ihr Wahlprogramm nachzudenken. Da hat er wohl recht. Das wird einiges miteinander zu tun haben. Die linksextreme Gesine Schwan steht wie niemand anderes für den [wirklich erdrutschartigen] Linksrutsch der SPD
In meiner (hoffentlich angemessen kritische) Kommentierungsrunde möchte ich abschließend noch einen positiven Kommentar herausheben. Heribert Prantl liegt wie so oft ziemlich richtig. Vor allem der letzte Satz ist genauso treffend, wie er bitter ist.

Außerdem gibt es noch einen Lesetipp aus dem Spiegel von 1969 und dem herrlichen Zitat von Herbert Wehner:
"Wichtige Körperteile sind nicht betroffen. Es handelt sich nur um den Kopf."

Der designierte DGB-Vorsitzende Kurt Gscheidle aus Schwaben lag noch am Morgen des Wahltags mit Kopfverletzungen im Krankenhaus, die er sich bei einem Ausflug in den Berliner Amüsier-Dschungel am Stuttgarter Platz zugezogen hatte. Herbert Wehner meldete später die Wahlfähigkeit des gefallenen Genossen.

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