Dienstag, 3. November 2009

Politik der Dummheiten, Teil I: Ge-Wehr-Recht

Man kann sich ob meiner politischen Gesinnung wohl denken, dass ich nicht unbedingt viel Gutes erwartet habe, als sich die selbsternannte "bürgerliche" Koalition aus CDU und FDP formiert hat. Deswegen habe ich auch nicht direkt aufgeschrien und nach dem (selbstverstänlich widerlichen) Koalitionsvertrag mich groß über irgendwelche Gemeinheiten und Unsinnigkeiten aufgeregt. Dass eine Privatisierung des Gesundheitssystems zu Lasten von Arbeitnehmern und v.a. Geringverdienern gehen würde, ist genauso wenig ein Geheimnis, wie dass Steuersenkungen sich nicht "selbst finanzieren". Ich möchte vielmehr eine kleine Serie starten (mal sehn, wie lange ich durchhalte) und über die Dinge der schwarz-gelben Politik berichten, die entweder grob täuschen oder aber irgendwo einen guten Hintergrundgedanken haben und das genaue Gegenteil bezwecken.

Die Positionen von CDU und FDP zur Wehrpflicht sind jeweils einigermaßen nachvollziehbar. Die FDP will sie abschaffen, die CDU erhalten. Dass dann der Kompromiss "Verkürzung auf 6 Monate" heißt, ist ziemlicher Unsinn. Es reicht nicht, dass seit Jahren öffentliche Gelder für Krankenhäuser und andere soziale Einrichtungen eingespart werden mussten (eine Entwicklung, die durch die gezielte Verarmung der öffentlichen Haushalte durch irrsinnige Steuersenkungen für Besserverdienende verschärft werden wird), nun wird unserem Sozialsystem ohne Not eine weitere wichtige Stütze weggebrochen. Die ersten Wohlfahrtsverbände kündigen bereits an, wegen der verkürzten demnächst keine Zivildienstleistenden mehr einstellen zu können. Dies alles geschieht nur, weil die FDP für ihr Klientel erreichen möchte, dass es auf dem Weg von der Privatschule zur Privatuni bloß keine Zeit für die Karriere verlieren muss und mit so wenig normalen Menschen wie nötig in Kontakt kommt.
Die Abschaffung des Wehrdienstes ist an sich eine unterstützenswerte Sache - für den Einzelnen, die Gesellschaft und die Volkswirtschaft wächst aus jungen Männern, die mit Waffen umgehen können, schließlich kein Gewinn (ich behaupte mal: Im Gegenteil, wieviel Milliarden unseres Bundeshaushaltes verschlingen nochmal die Kosten für unsre Kriegsführung?). Anders verhält es sich jedoch mit dem daran gekoppelten Zivildienst: Der Einzelne bekommt seine soziale Kompetenz (es soll sogar schon in Bewerbungsgesprächen darauf angekommen sein, liebe FDPler), die Gesellschaft eine Behandlung von Alten, Kranken und Schwachen durch junge Menschen, die die Zeit mitbringen, die den festangestellten Pflegern und Krankenschwestern fehlt und die Volkswirtschaft bekommt billige Arbeitskräfte für dringend notwendige Arbeit.
Selbstverständlich gibt es die Probleme der "Wehrgerechtigkeit" und die Tatsache, dass Zivildienst bzw. Wehrdienst nunmal ein Zwangsdienst ist, aus dem kein besonders großes Engagement wachsen muss (ich sehe mich selbst da durchaus als Beispiel). Das Argument, welches wirklich gegen den Zivildienst als Institution und den Protest der Wohlfahrtsverbände spricht, ist allerdings, dass es nicht sein kann, dass unser Sozialsystem von Leuten gestützt wird, die eigentlich Militärdienst leisten müssen und dies aber verweigern, zudem als Ersatz dafür herhalten müssen, dass es zu wenige und zu schlecht bezahlte PflegerInnen und Hilfskräfte gibt. Zivildienst heißt heute noch "Ersatzdienst", was zeigt, wo die politische Gewichtung der Institutionen immer noch liegt. Der Kriegsdienstverweigerer entscheidet sich nicht "für" den Zivildienst, sondern nur "gegen" den Wehrdienst. Hier bedarf es einer anderen gesellschaftlichen Haltung: Wenn wir wirklich eine Gesellschaft haben wollen, die aufgrund knapper öffentlicher Kassen in sozialem Frieden miteinander lebt und die auf gemeinschaftlicher Fürsorge für die Schwachen basieren soll, dann reicht es nicht, beim Zivildienst dauerhaft auf "Freiwilligkeit" und Anreizen dafür abzustellen (geschehen in einem sonst recht guten Artikel in der SZ), sondern nur, indem wir uns klar werden, wie nötig ein starkes Sozialsystem ist, in den jeder Einzelne eingebunden ist: Eine Maßnahme dafür wäre ein verpflichtender Zivildienst für alle. Keine erschlichenen Ausmusterungen mehr für Ärztekinder, die Möglichkeiten für jeden, sich gesellschaftlich einzubringen und vielleicht auch Erziehung für diejenigen, die es nicht möchten, genügend Kräfte in sozialen Einrichtungen etc.
Selbstverständlich sind dies Hirngespinste, eine Weichenstellung des Staates in Richtung "sozial" wird es in den nächsten 4 Jahre nicht geben. Aber diejenigen Punkte, in denen die neue Regierung vorgibt, "gerechter" und "sozialer" zu sein, verdienen einer genauen Betrachtung und Gegenentwürfen, um zu zeigen, dass man sich nicht weiter täuschen lassen wird.

2 Kommentare:

  1. Hallo Benedikt,
    was sagt denn der angehende Jurist zu den "Zwangsdiensten". Ich finde zwar auch, dass unsere Gesellschaft das Engagement aller braucht, gleichzeitig sollte man vorsichtig sein mit verpflichtenden sozialen Diensten.

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  2. Das, was die Verfassungsgerichte beim derzeitigen Wehrdienst bemängeln, ist ja die Wehrungerechtigkeit, welcher man mit einer Umstrukturierung durchaus Rechnung tragen kann. Ansonsten ist "Zwang" natürlich immer eine Ansichtssache, Steuern muss ja auch jeder zahlen. Und hier braucht es halt eine Abwägung zwischen allgemeiner Handlungsfreiheit und Sozialstaatsprinzip. Aber wenn es sogar für eine "Verteidigungsarmee" eine Berechtigung gibt, warum dann nicht für einen Dienst an der Gesellschaft..?

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