Mittwoch, 5. August 2009

Chaos-Club.

Wenn ich anderen von meinem Blog erzähle, sage ich immer, dass ich über Musik, Politik und Fußball schreiben würde. Das stimmt nicht so ganz, denn bisher habe ich mich genau einmal ausführlich über Fußball geäußert (das war der Hoffenheim-Bash).
Jetzt war allerdings auch Sommerpause und außer dem üblichen Trainer- und Spielerkarussel gab es nicht viel zu berichten. Das hat sich diese Woche geändert. Wenn jetzt jemand sagt, dass wäre ja ganz normal, es gäbe ja jetzt wieder Pflichtspiele und die Bundesliga steht vor der Tür, dann hat derjenige mit Mainz 05 nicht allzuviel am Hut.
Eigentlich ist es ja auch toll, wenn man mal wieder etwas über seinen Lieblingsverein schreiben darf, allerdings kann man nicht sagen, dass bei Mainz 05 diese Woche irgendwas "toll" war. Selbst als Michael Thurk sich etwas unrühmlich aus Mainz verabschiedete ("Es war schon immer mein Kindheitstraum in Frankfurt zu spielen" und "Jürgen Klopp hat mir den Weg in die Nationalmannschaft verbaut" [sinngemäß]), blieb das Umfeld recht gelassen, aber sowas habe ich als Fan dieses Vereins bisher noch nicht erlebt.

Die Seuche gab es schon die komplette Vorbereitung, als zwischenzeitlich 14 Spieler verletzungsbeding ausfielen und dann tatsächlich Aristide Bancé Malaria bekam. Malaria. In Mainz. Wäre lustig, wenns nicht so schlimm wäre...
Ab Freitag ging es dann rund. Da erschien erstmal dieser Artikel in der FAZ (Lesebefehl, darauf basiert meine Analyse :P ) und ließ Schlimmes erahnen. Man war sich relativ schnell einig, dass an den Gerüchten etwas dran sein müsse, "es ist ja nicht die Bild". Besonders verdächtig war bereits, dass Christian Heidel, der sich normalerweise in bewunderswerter Weise vor sein Personal stellt und etwaige Falschmeldungen korrigiert, sich nicht zu den Vorwürfen aus dem Artikel geäußert hat.
Die peinliche Pokalpleite gegen Lübeck trug dann auch nicht besonders zur Stimmungserhellung bei. (Wobei das eine Sache war, an die man sich als leidensfähiger 05er aufgrund solcher Grausamkeiten längst gewöhnt hatte)
Im Laufe des Sonntag abends verdichteten sich dann die Gerüchte, dass Andersen wohl am nächsten Tag entlassen werde und als Montag morgens dann der Termin einer Pressekonferenz festgesetzt wurde, war klar, dass Andersen nicht mehr länger Trainer bleiben würde.
Die Entlassung Andersens selbst kann ich nicht unbedingt ausgewogen bewerten. Zum einen glaube ich, dass bei Weitem nicht alle Details der Methoden Andersens an die Öffentlichkeit gekommen sind, schließlich ist diese Spindgeschichte nun wirklich kein Grund einen Trainer zu entlassen, oder? Jedenfalls kann man konstatieren, dass Andersen nach Heidels Äußerungen auf der PK wohl den Disziplinfanatiker gegeben hat und das nicht mehr mit der Philosophie von Mainz 05, nämlich dem uneingeschränkten Teamgeist, zu vereinbaren war. In der zweiten Liga wäre ein Nichtaufstieg aufgrund des doch sehr starken Kaders schon eine negative Überraschung gewesen und viele Spiele konnten durch die individuelle Klasse (v.a. Feulner, Bance) gewonnen werden. Bei kigges, dem wichtigstem Internetforum von Mainz 05, wird heiß diskutiert, ob wir jetzt wegen oder trotz Andersen aufgestiegen sind (finde leider den genauen Link nicht mehr, da war die Tage ne ganze Menge los). Diese Diskussion finde ich sehr interessant. Klopps Spielsystem lag v.a. darin, in der Deckung gut zu stehen und daraus den Ball schnell nach vorne zu spielen (und sich [zu oft] auf die Einzelkönner vom Schlage Zidan zu verlassen). Andersen hat das umgeworfen und offensiver spielen lassen. Das ging am Anfang der Saison auch mal in die Hose (das wacklige 4:2 gegen Osnabrück, als die Abwehr offen wie ein Scheunentor war), hat sich dann aber einigermaßen stabilisiert. Was folgte, waren überzeugende Siege gegen Köln im Pokal und gegen Nürnberg, als jeweils ein nominell stärker besetzter Gegner dominiert und besiegt wurde. Gegen schwächere Gegner zuhause sah die Sache aber schon wieder ganz anders aus. Da wurde spielerische Überlegenheit mehrfach nicht in Siege umgemünzt und man hatte Probleme mit tiefstehenden Mannschaften (ein Problem, das man aus der Vorsaison mit Klopp allerdings auch schon kannte). Dazu kamen dann noch einige fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen, die eine ganze Menge Punkte kosteten. Trotzdem stand am Ende der Vorrunde immerhin die Tabellenführung. Die Rückrunde war durchwachsen und Siege gab es fast nur gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte. V.a. gegen Freiburg wurde deutlich, dass die "Vormachtstellung" der ersten Saisonhälfte eingebüßt worden war. Die spielerische Qualität ließ stark nach und es gab einige sehr schwache Spiele (1:4 gegen Aachen, 0:2 bei St.Pauli, eine furchtbare Defensivleistung beim 4:3 in Ingolstadt, ein Verspielen eines 2:0 Vorsprunges gegen eigentlich völlig verunsicherte Münchner Löwen). Erst gegen Ende der Saison hat man dann wieder die Kurve bekommen und u.a. auf ganz starke Weise den Angstgegner Fürth besiegt.
Dass am Ende nicht mehr Punkte auf dem Papier standen, hatte also mehrere Gründe und ist nicht allein daran festzumachen, die Mannschaft habe ihr Potential nicht ausgeschöpft (was dann Andersens "Schuld" gewesen wäre). Gerade in der Hinrunde gab es wie gesagt, einige sehr starke Spiele, in denen auch ein "Plan" erkennbar war. Lange Rede kurzer Sinn. Ob Jörn Andersen wirklich ein besonders guter Trainer ist und mit Mainz 05 Erfolg gehabt haben würde (solche Überlegungen sind nicht nur grammatisch schwierig), lässt sich nicht mehr sagen, das hätte man in der Bundesliga erproben müssen.
Die Entlassung Andersens noch vor Saisonbeginn ist also sehr mutig, schließlich hat man ihn nicht ausprobieren lassen, ob sein Weg der richtige gewesen wäre. Ich muss allerdings sagen, dass ich die Entscheidung der Vereinsführung gutheiße. Ich glaube zum einen tatsächlich, dass bei einer jetzt in der ersten Liga schwach besetzten Mannschaft Punkte nur über Teamgeist, Einsatz und Kampf eingefahren werden können und dann finde ich die Handlungsweise in dem Sinne konsequent, dass das, was Mainz 05 über die letzten Jahre groß gemacht hat, also der von Klopp eingeschlagene Weg des Zusammenhalts, nicht über den Haufen geworfen werden sollte, indem man ein Experiment mit einem "harten Hund" als Trainer eingeht. Vielleicht mag der Rauswurf von Andersen auch eine Imagefrage gewesen sein (so als 25. wichtigstem Grund oder so), aber ich für mich mag diesen Verein auch wegen seiner Besonderheit. Und die lag zu Erstligazeiten immer darin zu sagen, "wir haben keine Chance, also nutzen wir sie".
Und so bleibt dem neuen Trainer Thomas Tuchel (noch eine mutige Entscheidung) und der Mannschaft (und btw. auch Jörn Andersen) viel Glück und eine erfolgreiche Saison zu wünschen.

Nachtrag:
Übrigens ging es gestern gleich abenteuerlich weiter, als Aristide Bance wegen angeblicher Körperverletzung in den Zeitungen war. Das hat sich aber wohl zum Glück als harmlos herausgestellt.

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