Mittwoch, 21. Oktober 2009

Sonntag.

Der Sonntag war immer ein ganz besonderer Tag. Man war Samstag abends weg und schlief dann morgens lange und hatte meistens nichts besonderes zu tun als mit Kater vor dem Fernseher oder dem PC zu sitzen. Jetzt bin ich nun aber Student und da man ja eigenverantwortlich ist, ist jetzt potentiell die ganze Woche Sonntag. Oder so. Jedenfalls war heute so ein echter Sonntag. Die Nachwirkungen einer gestrigen Juristenparty (ich weiß, dass das ne widerliche Sache ist, aber hey, einmal im Semester...) haben dazu geführt, dass ich meinen Bewegungsradius nur auf den nahegelegenen Supermarkt ausgeweitet habe und mich kulturell betätigt habe. Ja. Ich habe einen Film gesehen und Musik gehört. Das ist eigentlich nicht sonderlich der Rede wert, aber heute abend hat es mich irgendwie doppelt umgehauen und dafür sind Wintersleep und ein hervorragender Film names "Das Weiße Band" verantwortlich.

Wintersleep sind eine Rockband aus Kanada und weil einem da als allererstes die Weakerthans einfallen, ist der erste Hördurchgang mit einem Gefühl der Vertrautheit verbunden. Tatsächlich findet sich der melancholische Indie-Rock mit großartigen Texten von Wintersleep irgendwo zwischen den Weakerthans und der Band Of Horses (und die Stimme klingt ein bissjen wie bei Clap Your Hands Say Yeah) wieder. Also ein Teil schneller, punk-ähnlicher Songs, eine fantastische Ballade namens "Dead Letter" und auf der anderen Seite ein ausuferndes 8-Minuten Epos mit langen Instrumentals und vielen "Ah-s". Damit reihen sich Wintersleep in die traurige Reihe der Bands (u.a Built to Spill und PeterLicht) ein, die vor kurzem in Heidelberg gespielt haben und erst danach von mir "entdeckt" worden sind.
Der nachfolgende Textteil ist wahrscheinlich so ziemlich das Beste, was ich seit langem gehört habe:
I think I think I think a little too often
That's what my therapist said
We're alone in this wilderness
Left to choke on the pills and to feed on the viruses
I think it's coming and it comes so fast
Oder:
Do you still believe in God?
Said the preacher to the astronaut
I heard it's kinda lonesome there
Nothing to talk to but a cold, cold air
Tell me, tell me what was it like?
Did meaning fall from that celestial light?
Did it wrap you up in conversation?
Did it leave you like some ineffable nothing?
Are you feeling alright?
In the blink of a flashing, blinding light
Das geht unter die Haut.

Mindestens genauso erwähnenswert ist der Film "Das weiße Band" von Michael Haneke, der seit 2 Wochen im Kino zu sehen ist (Achtung, das ist teilweise ein bissjen spoilerhaft).
Es geht um ein kleines Dorf im Norden Deutschlands aus dem Jahr 1913, in dem innerhalb einiger Monate einige seltsame Dinge geschehen. Der Dorfarzt hat einen mysteriösen Reitunfall, eine Frau stürzt sich in einer Mühle zu Tode, das Kind des Barons des Dorfes wird misshandelt aufgefunden, genauso wie später das behinderte Kind der Hebamme. Der Lehrer, der als Erzähler von einem späteren Zeitpunkt aus das Erlebte berichtet, sagt bereits am Anfang des Films, dass diese Geschichte vielleicht eine Erklärung für das geben könne, was später in Deutschland passieren werde und diese "Vorwarnung" sagt einem gleich, worauf man bei dem Film im Besonderen achten muss: Es sind die Kinder, von ihren Eltern gezüchtigt, gedemütigt, geschlagen und sexuell missbraucht, die eine ganz besondere Rolle spielen. Sie sind immer die ersten, die am Ort des Unfalls sind, und geben den ganzen Film einen Anschein von Unschuld, Höflichkeit, unwissender Naivität und Demut ab, das nur einmal ganz offensichtlich in einer (mE) Schlüsselszene durchbrochen wird, wenn sich der bisher versteckte Neid in Wut und Gewalt entlädt. Diese Szene ist deshalb so interessant, weil der Film eigentlich jede Art von Ausbruch, in Worten und in Taten, verweigert. Wenn der Arzt die Hebamme verstößt und dabei aufs Tiefste beleidigt, dann macht er dies in einem Ton und einer Haltung, die auf ein normales Alltagsgespräch schließen lassen würde. In der Szene, in der der Pastor seine Kinder bestraft und schlägt, wird nicht das Geschehen gezeigt, sondern nur eine geschlossene Tür (durch die vorher der regungslose Sohn gegangen ist) gezeigt, hinter der man die Schreie gedämpft hören kann. Diese völlige Kälte im Umgang miteinander (eindrucksvoll unterlegt durch einen leicht vergilbten Schwarz-Weiß Ton des Filmes, der jede historische "Romantik" unterbindet) wird gerade in dieser Person des Pastors (Burghardt Klaußner) grandios dargestellt. Hier könnten als Beispiel fast alle Szenen, in denen er auftritt, aufzählen, besonders eindrucksvoll ist aber der Liebesentzug, als sein jüngster Sohn ihn mit einem gefangenen Vogel über den Verlust seines ermordeten Kanarienvogels hinwegtrösten möchte, und der Pastor einfach nicht fähig ist, Gefühlsregung zu zeigen. Auch das namensgebende weiße Band ist eine "Idee" des Pastors, der mit dem Anbringen einer weißen Schleife im Haar der Kinder diese an ihre Unschuld erinnern soll. Überhaupt kann fast jede Szene (vielleicht abgesehen von der Liebesgeschichte des Lehrers) als Puzzleteil des Filmes gesehen werden, der am Ende keine Lösung präsentiert. Natürlich drängen sich die rätselhaften Kinder als Übeltäter auf, aber es kommt gar nicht darauf an, ob sie es nun wirklich gewesen sind oder nicht. Es ist erschütternd genug zu wissen, dass sie dazu fähig gewesen sein könnten.
Und denkt man den Gedanken weiter, so fragt man sich:
Zu was werden diese Kinder fähig sein, wenn sie erstmal erwachsen sind?

Freitag, 16. Oktober 2009

Der grüne New Deal. Teil 2.

Ich wollte eigentlich nur eine Entgegnung auf Simons Kommentar zu meinem vorherigen Blogeintrag schreiben, dieser ist jedoch etwas lang geworden, sodass ich den Kommentar für alle etwas besser sichtbar in einen Blogeintrag verpacke:
Simon hat gesagt…

Interessant, wenn auch zu hart, finde ich deine Analyse der Grünen. Denn ich behaupte mal, dass die Grünen schon immer eine Partei waren, die nicht unbedingt klassische Wahlthemen (Wirtschaft, Arbeitsplätze, Steuern) ansprechen, sondern eben ihre "Spezialthemen" Umwelt, Bildung, usw. Zwar haben sie sich als Partei immens gewandelt, doch ich denke die meisten Wähler haben sie immer noch bei den Menschen, die andere Themenschwerpunkte setzen (dafür habe ich keine Zahlen, ist eher ein Gefühl, wenn ich so die Grünenwähler, die ich kenne, im Kopf durchgehe). Eigentlich recht erstaunlich, dass die Grünen nicht so viel in der Krise verloren haben, denn den Ruf einer Wirtschaftspartei haben sie nun wirklich nicht. Den hat aber die FDP. Für mich eigentlich relativ unverständlich warum, ich weiß nicht wirklich was so toll daran ist den Staat ohne große Not zu verschulden... Aber das war ja auch ein Vorwurf von Steinbrück, dass der SPD eben auch ein geringere Wirtschaftskompetenz nachgesagt wird.
Völlig zu stimme ich dir bei der Feststellung, dass die SPD ziemlich allein für die Hartz-Gesetzgebung etc. bluten muss. Das ist dann aber auch irgendwie Eigenverschulden. Wenn man das vernünftig dargestellt hätte, dass 1. alle Parteien daran beteiligt waren und 2. dass diese Gesetze eben sehr sehr schmerzvoll aber nötig waren (davon bin ich mittlerweile nicht mehr so recht überzeugt). So sehr man auch der neuen Regierung jetzt vorwerfen kann nur Symbolkosmetik daran zu betreiben, man muss doch anerkennen, dass man gerade in einer Demokratie sich bestmöglich verkaufen muss und genau deshalb ist das kein schlechter Zug die Schonvermögen zu erhöhen, auch weil es nichts kostet.
Was bis jetzt vielleicht noch nicht so beachtet wurde ist meiner Meinung nach auch ein kleiner Wandel der CDU: Durch von der Leyen in der Familienpolitik und durch deren linkeren Flügel graben die die SPD ganz gut Stimmen ab. Dass die CDU für Krippenplätze ist war ja noch vor 10 Jahren undenkbar. Überhaupt finde ich dass die Parteienlandschaft sich überhaupt sher gewandelt hat. Der SPD finde ich mittlerweile eigentlich die CDU näher als die FDP. Mit letzteren kann man irgendwie nicht mehr so viel anfangen. Wenn man mal überlegt, in den 70er noch hat die SPD den Kanzler gestellt, obwohl sie nur Zweitstärkste Kraft waren, aber eben für die FDP der bessere Partner. Undenkbar heute.
Vielleicht auch, weil laut Spiegel (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,654709,00.html) verstärkt der menschliche Faktor hinzu kommt. Gerade auch im Saarland kennt wahrscheinlich noch jeder jeden und es spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie gut die Führungspersonen miteinander können. (Wobei das eigentlich immer eine wichtige Rolle spielt und meiner Meinung nach ist das auch nicht unbedingt so negativ zu werten. Ein Koch wird andere Politik betreiben als ein von Beust, trotz gleicher Partei...)
Mit den Linken kann ich mich eigentlich auch noch gar nicht anfreunden. Man muss nur mal auf deren außenpolitisches Programm anschaun, um denen jedwedes Weltverständnis abzusprechen. Die Oppositionsstimmen im Bundestag sind glaube ich aber nicht verloren. Soweit ich weiß kann das Bundesland nur geschlossen seine Stimmen verwenden und die Praxis ist, sobald ein Koalitionspartner nicht einverstanden ist wird sich enthalten (was einem Nein entspricht). Das heißt, im Bundesrat stimmen nur schwarz-gelbe Länder oder komplett schwarze Länder im Sinne der Regierung. Ist jedenfalls meine Kenntnis der Dinge.



Du sprichst ein paar interessante Punkte an, auf die ich kurz eingehen möchte:
1. Die grüne Programmatik auf Bundesebene ist relativ unzweifelhaft links. Das Wahlprogramm der BTW ist durchaus links der SPD einzustufen, siehe z.B. Erhöhung der ALG2-Sätze. Anders die Wählerschaft. Einige Äußerungen der selbsternannten Realos lassen außerdem auf eine Zustimmung zu Jamaika schließen. Bsp. Bütikofers Äußerungen über Twitter.

2. Die Hartz-Gesetzgebung ist selbstverständlich ein komplexeres Thema, als dass man hirnlos pauschal dafür (Steinmeier) oder dagegen (Lafontaine) sein kann. Ich halte das ALG2 vom Kern her für richtig und unumgänglich. Der Staat kann es sich nicht leisten, Arbeitslosen bis in alle Ewigkeit einen hohen Prozentsatz (53% glaube ich) ihres vorherigen Verdienstes zu zahlen, so wie es vor der Agenda aussah. Und ich sehe auch das "eingesparte" Geld in der Förderung der Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Markt sehr gut aufgehoben. Worüber diskutiert werden muss, sind zum Einen die Sätze selbst, die wohl nicht nur im Einzelfall zu niedrig sind. Zweitens bin ich für eine Entschärfung der Sanktionen gemäß § 31 SGB II, hier muss definitiv nachgebessert werden und v.a. geschaut werden, ob sie überhaupt ihre Funktion erfüllen. Wenn nicht, weg damit. Auch den Grundsatz, dass jede Arbeit angenommen werden soll, sehe ich sehr kritisch (auch wenn das rechtlich durch das Wörtchen "zumutbar" durchaus schon geregelt ist, hier mangelt es wohl an sachgerechter Auslegung, aber da kenne ich mich nicht genug aus, um das abschließend beurteilen zu können).
Das Gegenargument für eine Erhöhung der Sätze, dass dann nämlich der Anreiz wieder eine Arbeit zu finden, wegfiele, ist mE Hohn und Spott auf die Betroffenen, gerade wenn diese Äußerungen von denjenigen kommen, die jahrelang dafür eingestanden haben, dass die Löhne nicht gestiegen sind (während die Unternehmensgewinne um glaube ich über 30% gestiegen sind).
Hier liegen die wahren Probleme unseres Sozialsystems, gerade auch, wenn von Union und FDP gegen Mindestlöhne argumentiert wird, weil die Dumpingllohnempfänger ja "aufstocken" könnten. Diese Ausgaben sind mE vermeidbar, wenn wirtschaftspolitisch anders gehandelt wird als in den letzten Jahren.

3. Und was den Bundesrat angeht, so sieht die Realität auch ein bissjen anders aus, als von dir beschrieben, siehe die Zustimmung der Länder zum Konjunkturprogramm, das die FDP ja eigentlich ablehnte, aber aufgrund von Druck seitens der CDU im Bundesrat doch passieren ließ.
Und ja, die FDP ist selbstverständlich eine überflüssige Partei, deren Liberalität sich nur noch auf den Markt bezieht. Mit der FDP der 60er und 70er Jahre hat das nichts mehr zu tun...

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Der grüne New Deal.

Der 27. September war ein schlechter Tag für Deutschlands Linke. Es gibt jetzt wieder eine Mehrheit der bösen Mischung aus einem rückwärtsgewandtem Weltbild der Intoleranz und lobbyistenparolengetränktem Wirtschaftsliberalismus, eine Konstellation, die man seit 1998 eigentlich in den Geschichtsbüchern verstauben lassen wollte.
Nach der ersten Ernüchterung des Wahlabends glaubte man dann im Trotz an die große Chance einer Neuformierung der Linken und vereinzelt hörte man sogar das Wort "Wiedervereinigung". Schließlich gibt es ja jetzt einen gemeinsamen Gegner und alle dürfen zusammen die Regierung scheiße finden (das durften erst nur die Linke und seit 2005 auch die Grünen). Jetzt hat es 2 Wochen gedauert und immerhin schien die Ausschließeritis der Linkspartei ein Ende zu haben.
Weit gefehlt.
Nach dem Matschie-Debakel in Thüringen war die Ankündigung einer Jamaika-Koalition durch die Grünen im Saarland schon abzusehen. In Lafontaine den Sündenbock zu sehen, halte ich für zu kurzsichtig, auch wenn bei dessen überraschender Erklärung, künftig im saarländischen Landtag sitzen zu wollen, zumindest der Zeitpunkt höchst unglücklich gewählt wurde. Einem Provinzpolitiker wie Hubert Ulrich ist es auch irgendwie nicht zu verdenken, dass er Schiss vor Lafontaine bekommen hat, schließlich hätte ihm dieser wohl ziemlich die Show gestohlen.
Viel interessanter als die persönlichen Vorbehalte von Ulrich sind aber zwei Fragen:

1. Welchen Einfluss auf die "Rest"-Grünen hat die Jamaika-Entscheidung?
2. Warum ist ein Wortbruch kein Wortbruch mehr?

zu 1.)
Die Grünen sind strukturell keine linke Partei mehr. Mag sein, dass Programm und Personen auf Bundesebene durchaus noch ein vernünftiges Wahlprogramm auf die Beine gestellt haben, die Wählerschaft selbst hat jedoch kein Problem mit CDU und FDP zusammenzuarbeiten. Beweise? Hier. Die Grünen werden immer mehr zur Lifestyle-Partei für Unpolitische, die Umweltschutz irgendwie cool finden. Anders lässt es sich auch nicht erklären, warum die SPD seit der Hartz4-Gesetzgebung enorm an Stimmen verloren hat, die Grünen aber sogar dazugewonnen haben. Warum wird, was der SPD, zu großen Teilen zu Recht, angelastet wird, nicht auch den Grünen vorgehalten? Sie haben sich, hier lehne ich mich etwas aus dem Fenster, zu einer Partei entwickelt, die gewählt wird, um das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. Die Grünen sind, ohne dass ich ihnen unterstellen will, dies gewollt zu haben, zu einer Partei der Besserverdienenden geworden. Selbstverständlich gibt es bei den Grünen noch viele Leute, die bisher noch verhindern, dass Grün nur noch ein angestrichenes Gelb wird, aber die Zukunft lässt Böses erahnen. Ich finde es sehr problematisch zu sagen, man wolle mit CDU und FDP koalieren, weil man da "mehr grüne Inhalte" umsetzen kann. Zum Einen halte ich die Aussage nicht für besonders glaubwürdig, auch wenn die Union es ja auch auf Bundesebene schafft, so zu tun, als sei sie für Unmwelt- und Klimaschutz (Stichprobe: Was hat die Union auf diesem Gebiet in den letzten Jahre gemacht? Eben.). Zum anderen ist sogar eine saarlandspezifische Lösung mit Eingeständnissen insofern nicht gut, dass den Oppositionsparteien wichtige Stimmen im Bundesrat fehlen und eine Fundamentalopposition der Grünen in Regierungsverantwortung wohl nicht erwartet werden kann. Den Bundesgrünen wird somit ein Bärendienst geleistet.
Leidtragende der Jamaika-Koalition wird wieder mal die SPD sein. Die Grünen werden wohl belohnt, weil sie ein bissjen sozialdemokratische Politik in der Koalition durchgesetzt haben, die CDU kann sich weiter mit einem Minimum an Symbolpolitik (ein wudnerbares Beispiel ist das Beklatschen der Erhöhung des Schonvermögens heute, eine Maßnahme die gerade einmal 25 000 Menschen betrifft und somit ein leichtes Geschenk ist, weil kaum Kosten für den Staat anfallen) in der gesellschaftlichen Mitte breit machen, die SPD guckt in die Röhre.

zu 2.)
Wahlversprechen darf jeder brechen, aber ein Wortbruch ist es nur dann, wenn jemand mit der Linken koalieren will, oder?
Ich bin dafür, dass Hubert Ulrich und die saarländischen Grünen genauso behandelt werden wie Andrea Ypsilanti und die Hessen-SPD. Der eine sagt, er wolle den Ministerpräsidenten abwählen lassen und er wolle einen "Wechsel" und die andere will linke Politik ohne die Linke. Where's the fucking difference? Natürlich ist die Linke böse. Wie kann sie es wagen, Forderungen aufzustellen, die nicht finanzierbar sind? Das ist ja wie in der DDR. Und dann die ganzen hessischen und saarländischen Stasi-Spitzel. Mannomann.
Mal davon abgesehen, dass ich den "Wortbruch" in Hessen vom Prinzip her für nicht dramatisch halte (von der Wirkung her selbstverständlich schon), ist diese Ungleichbehandlung eigentlich ein Skandal. Die konservativen Medien (Faz, Bild, Spiegel, Zeit) haben mit einer beispiellosen Medienkampagne und mithilfe eines gekränkten Seeheimers ein vielversprechendes Projekt gekippt, das den "Wechsel" glaubwürdig versprochen hatte.
Jetzt versprechen Matschie und Ulrich eben diesen Wechsel, um mit der eigentlich abgewählten CDU, dem Kontrapunkt des politischen Konzeptes von SPD und Grünen, trotzdem zu koalieren. Hier liegt, vielmehr als in der Auswahl der Koalitionspartner, ein wahrer Wortbruch vor. Ich will nicht, dass jetzt gesagt wird, man wolle unbedingt mit der Linken koalieren. Es geht darum, dass man es MUSS. Argumente ob der SED-Vergangenheit führen in West-Bundesländern völlig ins Leere und im Osten sitzen die Parteikader und DDR-Linientreue ebenso in anderen Parteien, siehe Althaus. Es bietet sich die Chance, die eigenen Inhalte mit Parteien, die Ähnliches vertreten, durchzusetzen und sie wird vorsätzlich nicht genutzt, obwohl man versprochen hat, einen "Wechsel" zu wollen. Bei solchem Slapstick möchte man Verständnis für jegliche Politikverdrossenheit haben...

Freitag, 9. Oktober 2009

Toleranz! Jetzt!

Eigentlich wollte ich nichts über Thilo Sarrazin und seine Hetze schreiben, weil ich dachte, unsere Medien- und Politikerlandschaft würde mit der Thematik souveräner umgehen, als sie es derzeit tut und den einschlägigen "Islamkritikern" Broder, Giordano, FJ Wagner (der Bild-Spinner) kann der aufgeklärte Mensch ja eigentlich aus dem Weg gehen. Erst die Sendung Hart Aber Fair hat einem ein Bild von der Problematik vorgeführt, dass man sich nur noch gruseln kann. Da wurden neben einer Dame von einem islamischen Verband und Ströbele drei Herrschaften eingeladen, die tatsächlich nichts besseres zu tun hatten, als die ganze Sendung über Sarrazins Äußerungen zu verteidigen.

Es mag ja sein, dass es einen latenten Fremdenhass in Deutschland gibt und es gibt ihn wohl auch in der deutschen Medienlandschaft. Aber dass sich 2 Politiker aus der immer noch stärksten Partei in Deutschland und ein Journalist, der sich selbst als "links" bezeichnet, derart in den brauen Sumpf begeben, ist widerlich. Besonder Oswald Metzger tut sich hervor, indem er meint, man solle sich wieder mehr um die Leistungsträger kümmern (das ist in diesem Zusammenhang [naja und eigentlich immer] eine ganz besonders hirnlose Aussage) und außerdem solle man sich "um die Alltagsprobleme der Menschen kümmern, damit es nicht die rechten Parteien machen" - Im Klartext, rechte Themen bedienen, um den Nazis das Wasser abzugraben. Schlimmer ist noch, dass Sarrazin von so vielen Seiten für seinen "Mut" gelobt wird, sich über die "political correctness" hinwegzusetzen, die ja ach so viele Debatten behindere. Fehlt nur noch, dass jemand die NPD dafür lobt...

Wenn Sarrazin sagt, es gebe Menschen (und er meint die türkischen und arabischen Migranten) in Berlin, die "ökonomisch nicht gebraucht werden", dann ist das zumindest sektiererisch und wenn er meint, dass dieser Teil "auswachsen" solle, dann ist das Rassismus. Ganz einfach. Mehr muss man zu dieser Thematik auch nicht mehr sagen. Rassismus darf nicht verteidigt werden und Rassisten dürfen für ihren Mut auch nicht gelobt werden. Fertig. Ich halte es da wie Christian Soeder, der bei Rot Steht Uns Gut schreibt:
Ein bisschen Rassismus gibt es nicht, so wenig wie es ein bisschen schwanger gibt. Ein SPD-Politiker sagte einmal sinngemäß: „Zwischen NPD und DVU unterscheide ich nicht, denn das hieße, Scheiße nach dem Geruch zu sortieren.“ Und genau so sollte man es auch mit Rassismus halten. Ganz undifferenziert.

Da ist es mir völlig egal, ob Sarrazin in seiner Analyse nicht den ein oder anderen richtigen Punkt gefunden, natürlich gibt es Probleme bei der Integration von Türken und Arabern, aber diese werden sicher nicht durch Anfeindungen und Beleidigungen gelöst, Integration mit dem Holzhammer ist Unsinn, sobald staatlicher Druck und öffentliche Anfeindungen da sind, darf es keinem Migranten verübelt werden, sich nicht aus seinem Kulturbereich herauszubewegen. Wir dürfen nicht die Arme verschränken, wir müssen die Arme öffnen, wir müssen reden und wir müssen ihnen Möglichkeiten bieten, sich in die Gesellschaft zu integrieren (v.a im schulischen Bereich), Zwang ist da mE eher kontraproduktiv.

Solange übrigens die CDU tatsächlich Beauftragte für Islam, Integration und Extremismus anstellt, ist mir völlig klar, in welche Schublade Migranten aus islamischen Ländern gesteckt werden... ob das hilft?

Wer noch ein paar weiterführende Beiträge zum Thema lesen oder anschauen möchte und dabei nicht in Brechreiz verfallen will, dem sei Folgendes nahe gelegt:

Spreeblick: Sarrazin hat Rechts.
Alan Poseners Blattkritk: Sarrazins Bullshit (das Video)

...und außerdem treffend wie nie, diesen Beitrag von Hagen Rether:

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Tageszeiten.

Ich bin krank. Also jetzt nicht schlimm oder so, aber eben so krank, dass man durchaus mal ohne schlechtem Gewissen 2 Tage zuhause vor dem Fernseher verbringen kann.
Das macht ein paar Stunden Spaß, wenn man endlich ein paar neue und ein paar alte, fast vergessene (gerade das wunderschöne Jets To Brazil - Perfecting Loneliness) Musikalben durchhören, sinnlos im Internet rumsurfen, das RTL-Nachmittagsprogramm gucken oder den Tag einfach mit Süßigkeiten essen verbringen kann, ohne irgendwelche anderen Dinge im Sinn zu haben. Allerdings ist das nur so lange schön, bis man sich eingestehen muss, dass man die Zeit ja durchaus auch damit verbringen könnte seine Hausarbeit zu überarbeiten (Abgabe nächste Woche) oder für die anstehende Klausur zu lernen (noch 3 Wochen, aber dafür ein Thema, für das völlig von vorne angefangen werden muss). Oder Bloggen. Vor so etwa einer Stunde hab ich mich für Letzteres entschieden. Ja.
Es ist gar nicht so einfach, etwas zu schreiben, wenn man nicht vor die Tür geht und die Übelkeit des FDP-Wahlergebnisses sich so langsam in eine "Jedes-Volk-bekommt-den-Außenminister-den-es-verdient"-Egalheit umwandelt, über die es sich nicht lohnt zu bloggen. Irgendwie klappt es auch mit dem "Banalitäten-in-Blog-Einträge-umwandeln" auch nicht so gut, wie bei anderen.
Dazu kommt dann noch ein Hang zum abgelenkt werden (wer hat eigentlich diese unsäglichen Browser-Games erfunden?), was hier bei meinem neuen Lieblingsblogger ganz gut beschrieben wird (erster Unterpunkt). Das schlechte Blogger-Gewissen (ich hab heute hier gefunden, dass ich nicht der einzige bin) macht sich allerdings bemerkbar, schließlich gibt es in meinem Blog einen schleichenden Abstieg an Beiträgen (Juni 17, Juli 13, August 9, September 5, Oktober 1), der jetzt gestoppt wird, damit im November keine -3 da steht. Und manchmal muss man dazu auch mal was Inhaltsloses schreiben. So.

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Nichts gelernt...

Ich habe am Sonntag abend eigentlich zu denen gehört, die die Wahlniederlage eher nüchtern als Chance für einen Neuanfang gesehen haben und eine Fortsetzung der großen Koalition ohnehin für schädlich für die SPD gehalten hätte.
Jetzt ist in 3 Tagen in der SPD schon eine Menge geschehen, aber man hat nicht den Eindruck, dass diese Geschehnisse kein "Weiter So" sind, obwohl man sich ja von allen Seiten her einig ist, dass es eben dies nicht mehr geben soll.
Ein Weiter So ist es jedoch, wenn sich FW Steinmeier vor den Fernsehkameras als neuer Fraktionsvorsitzender krönt, ohne dass es davor irgendeine Diskussion gegeben hat. Eben dieser Führungsstil hat der SPD-Fraktion bereits einige unliebsame Dinge aufgedrückt, auch die Rente mit 67 wurde auf diese Weise kommuniziert. Die Fraktion hatte die Möglichkeiten, ihn entweder zu wählen oder schwer zu beschädigen. Eine gemeinsame Lösung sieht anders aus.
Ein Weiter So ist es auch, dass das Eingehen einer großen Koalition als Juniorpartner nicht endlich als Fehler angesehen wird. Es hat sich gezeigt, dass mit einer taktierenden Konsens-Regierungschefin (Merkel, in Thüringen zukünftig Lieberknecht, in SH war es Harry Carsten Petersen) durchgesetzte sozialdemokratische Inhalte schwer als Erfolge vermittelt werden können und schlechte Kompromisse einer kritischen SPD-Basis nicht verkauft werden können. Gerade wenn eine linke Mehrheit möglich ist, und von der SPD linke Inhalte erwartet werden, kann man das nicht einfach aufgeben, nur um eine "stabile Regierung zu bekommen". Die Wahlergebnisse für die SPD aus einer großen Koalition heraus zeigen die schädlichen Auswirkungen mit starken Verlusten (Sachsen, Bund, Schleswig-Holstein). Der Freitag schreibt heute:
Den Grund für Münteferings Abgang hat Matschie offenbar noch nicht realisiert. Wer in diesen Tagen als Sozialdemokrat eine große Koalition anstrebt, obwohl es eine Alternative gibt, ist entweder dumm, hat einen superschlauen geheimen Plan oder handelt mutwillig.
Ein Weiter So ist es außerdem, jetzt zu meinen, eine Personalrochade würde auf einmal die herbeigesehnte Glaubwürdigkeit wiederbringen. Steinmeier gilt ja als Architekt der Agenda und wenn man jetzt tatsächlich die nötigen Korrekturen fordern will und eine Abkehr von einigen Maßnahmen möchte, dann kann er nicht dafür stehen. Glaubwürdigkeit ist nur mit neuen Personen möglich. Gabriel wirkt nicht ganz so verbraucht wie Steinmeier, auch wenn er in der Vergangenheit nicht unbedingt für einen kritischen Kurs bekannt war. Das Problem der ganze Personaldebatten liegt jedoch offensichtlich darin, dass Alternativen fehlen. Auch wenn sich alle einig sind, dass sich die SPD nach links öffnen muss, so weiß niemand, wer für diesen Kurs stehen soll. Die Hoffnung wird wohl darauf liegen, dass Klaus Wowereit nächstes Jahr seine Wahl in Berlin gewinnt und dann gestärkt als Kanzlerkandidat zur Verfügung steht.
Das Weiter So lässt sich auch in der Kommunikation eben dieser Personalrochaden erkennen. Anstatt am Parteitag offen über das Personal zu sprechen, schiebt man sich jetzt die Posten hin und her und das soll dann "abgesegnet" werden. Wenn wir auf Bundesebene ach so demokratische Sachen wie Volksentscheide fordern, dann sollten wir damit in der eigenen Partei erstmal anfangen.