Sonntag, 4. April 2010

Nachtragend.

So.
Jetzt habe ich mein Blog 2 1/2 Monate ruhen lassen und jetzt ist mir tatsächlich so langweilig, dass ich doch noch mal ein paar Sätze loswerden möchte...
Das erste Vierteljahr 2010 ist ja jetzt vorbei und weil in dieser Zeit so viele tolle Alben rausgekommen sind, wie sonst in 2 Jahren (oder ich einfach nur mehr Zeit hatte, Musik zu hören?), habe ich mal die Platten zusammengetragen, die für mich bisher hörenswert waren und sind. Manche Alben sind nicht aus diesem Jahr, das sind diejenigen aus 2009, die ich in der letzten Liste entweder vergessen oder noch nicht gehört hatte:

Tocotronic - Schall und Wahn
Das Vorgängeralbum von "Schall und Wahn", "Kapitulation", war vor 3 Jahren wohl das beste deutschsprachige Album aller Zeiten. Musikalisch, textlich überragend und dann noch ein ideologischer Überbau, ein Gegenkonzept zur Leistungsgesellschaft. Grandios. Davon haben sich Tocotronic bei "Schall und Wahn" gelöst, ohne aber an Qualität oder Aussagekraft zu verlieren. V.a. "Die Folter endet nie" und "Keine Meisterwerke mehr" sind textlich wie musikalisch auf allerhöchstem Niveau und überdecken die 1-2 Klamauk-Songs, die sich Tocotronic immer mal wieder leisten ("Bitte oszillieren Sie"...). Und gerade die sehr Instrumental-lastigen Stücke ("Eure Liebe tötet mich", "Schall und Wahn") zeigen, wie sich die Band in den letzten Jahren, hin zu einem musikalischen Wohlklang, entwickelt hat.

Built To Spill - There Is No Enemy
Built To Spill ist so eine Band, an der man nicht vorbekommt, wenn es irgendwo um die Einflüsse zeitgenössischer und relevanter Rockmusik geht. Nirgendwo sind die Gitarren so elegisch und träumerisch und irgendwie ist das neue Album noch elegischer und träumerischer geraten als die alten Klassiker. Deswegen ist es auch gar kein Zufall, dass der beste und schönste Song mit der schönsten Lalala-Stelle "Life's A Dream" heißt ("Life ain't nothin' [la la la la-aah] / But a dream"). Built To Spill schaffen es über stattliche 55 Minuten Albumlänge hinweg, eine zauberhafte Auf-der-Wiese-in-der-Sonne-Liegen-Stimmung zu erhalten und an diesen ersten warmen Tagen des Jahres ein ganz besonders charmanter Begleiter zu sein.

The Thermals - Now We Can See
Ich kann mir nicht erklären, wie die ersten 3 Alben von den Thermals an mir vorbeigehen konnten... Ich kann mir erst recht nicht erklären, warum das Vorgängeralbum "The Body, The Blood, The Machine" 3 Jahre (!) trotz Besitz unangetastet geblieben ist. Ein paar Wochen nach dem ersten Hören bin ich mir ziemlich sicher, dass die Thermals schon immer meine Lieblingsband gewesen sind und ich es nur nicht wusste. Mir hat es dieser wunderschöne ungestüme Krach einfach angetan und meine Last.fm-Statistik spricht glaube ich ziemlich für sich. "Now We Can See" ist deutlich schwächer als der Vorgänger, aber trotzdem gut genug, um so ziemlich alles, was "Rockmusik" in den letzten Jahren so verbrochen hat, in die Tasche zu stecken. Wie es sich diese Band leisten kann, diese tollen Melodien, diese Energie in 2-Minuten-Songs zu verpacken, ist unglaublich. Und ganz besonders unglaublich ist: I Called Out Your Name

Broken Bells - st.
Zuerst einmal soll hier gesagt werden, dass es eine Katastrophe ist, noch eine ganze Weile auf das nächste Shins-Album warten zu müssen. Dieser Zustand ist unentschuldbar, lieber James Mercer. Auch dann, wenn man mit Danger Mouse ein astreines Pop-Album vorlegt. Ein Pop-Album, das den typischen Mercer-Gesang mit Elektro-Gefrickel versüßt. Ein Pop-Album mit dem Popsong des Jahres - The High Road. Unentschuldbar.

Kashmir - Trespassers
Pünktlich zur Veröffentlichung des neuen Kashmir-Albums habe ich das Opus Magnum der Band, "Zitilites", endlich wirklich kennen und lieben gelernt, das so klingt, als hätten die frühen Radiohead mal irgendwann konventionelle Popsongs geschrieben. Ein paar Tage lang war ich ernsthaft traurig (oder erleichtert?), dass ich wohl nie einen Menschen treffen werde, der Melpomene heißt. Wahnsinnssong. "Trespassers" hat keinen solchen Song. Auch keiner, der an "Rocket Brothers" oder "The Push" heranreicht. Das ist ziemlich schade und ein bissjen enttäuschend, stört aber irgendwann gar nicht mehr so, weil auch kein Lied schwach ist und "Trespassers" im Gegensatz zu "Zitilites" keine aufmerksamkeitszehrende Überlänge hat. Und irgendwann merkt man dann auch, welch ein großartiger Song samt wunderbarem Video Kashmir mit "Still Boy" gelungen ist...

Girls - Album
Das Album mit dem dämlichsten Albumtitel der letzten Jahre von der Band mit dem dämlichsten Bandnamen der letzten Jahre ist ein überhaupt nicht dämliches Album mit ganz vielen schönen, traurigen, sehnsüchtigen Popsongs. Das klingt dann in etwa so, als würden die Kooks auf einmal anfangen gute Songs zu schreiben und Jarvis Cocker mitsingen lassen. Für "Laura" würden - um mal eine abgedroschene Plattenrezensionen-Phrase - eben diese Kooks wohl den ein oder anderen Mord begehen. So toll ist das. Jaja.

Spoon - Transference
Auf kein anderes der hier aufgezählten Alben habe ich mich so gefreut wie auf Transference. Die Vorgängeralben von Spoon hatten alle 2-3 Songs der Kategorie Lieblingssong für alle Lebensituationen (The Underdog, I Summon You, Chicago At Night [!]), Transference aber irgendwie nicht. Weil es diesen versponnenen Spoon-Charme hat, dass in 43 Minuten eigentlich nichts passiert, trotzdem aber immer wieder Melodien und Arrangements auftauchen, die dem Ganzen eine einfach wunderbare Stimmung verleiht, ist Transference trotzdem ein richtig gutes Album. Aber leider kein überragend gutes...
Anspieltipp: Written In Reverse

Mumford And Sons - Sigh No More
Irgendwann mit den Jahrespolls der Musikmagazine Ende des letzten Jahres hatte es mich dann auch noch erwischt. Mumford And Sons. Eine kleine Band mit schönen Melodien und Banjo und Kontrabass wurde auf einmal eine große Hypband. Ein paar Musiker, die überhaupt nicht nach Hypeband-Musikern aussah. Als die jeder schon ein paar Monate toll finden durfte, ist die CD dann auch bei mir eingetroffen (es lebe der Internet-Versand). Und weil ich mehrstimmigen Gesang, Banjos und Ahs und Ohs schon immer toll fand, finde ich die Platte: toll.
Anspieltipp: Little Lion Man

Beach House - Teen Dreams
Mein Album des Jahres (bis jetzt) kommt von einer Band, die ich bis zum Hören des fantastischen "Norway" dank diverser Blogs gar nicht kannte (also jedenfalls nicht über das den-Namen-schonmal-gehört hinausgehend. Nach ersten Gewöhnungsschwierigkeiten (da singt eine Frau???ßßß) hat sich dieses wunderbare Kleinod an Musik, bei dem sich Grizzly Bear und Nico (die Velvet Underground-Nico) treffen, bei mir so ins Ohr gesetzt, dass es nicht mehr rauskommt. Die Melodien, der Sound und die Atmosphäre sind schlicht und ergreifend mitreißend und jedes Nebenbei-Hören ist blasphemisch. Und so etwas Erhabenes wie "Zebra" hat man auch schon länger nicht mehr gehört - Perfekte musikalische Schönheit...

Massive Attack - Heligoland
Massive Attack sind wohl das größte Kaliber, das man beim diesjährigen Southside besichtigen werden darf und werden ein neues Album dabei haben, das für mich keinen Deut schlechter als die Großtaten von vor 19 (Blue Lines) bzw. 12 Jahren (Mezzanine) ist. Es ist überraschend, wie Massive Attack es schaffen, ein ganzes Album voller Songs zu packen, die sich strukturell ähnlich sind und sich doch ganz anders anhören, weil sie von ganz verschiedenen Leuten gesungen werden. Und so dürfen sich u.a. Tunde Adebimpe (TV On The Radio), Guy Garvey (Elbow) und Damon Albarn gesanglich am Massive Attack-Sound entlanghangeln. Und irgendwie wird doch ein Gesamtbild geschaffen, das irgendwo zwischen Wohlklang (Paradise Circus [Achtung, ähm, Porno... :D]) , Entspanntheit (Rush Minute) und Komplexität (Flat Of The Blade) hin- und herpendelt.

Vampire Weekend - Contra
Ich glaube nicht, dass irgendjemand daran gezweifelt hat, dass das zweite Vampire Weekend Album nicht an das Debut herankommen kann, oder? So viele perfekte und doch unverwechselbare Popsongs bekommt man nicht wieder zusammen. Und das ist gar nicht schlimm. Vampire Weekend haben bei "Contra" nicht sonderlich viel geändert. Sound passt. Melodien passen. Arrangements passen. Es fehlen halt die Über-Hits. Aber dank des hibbeligen "Cousins", des Gutes-Wetter-Songs "Holiday" und des sehr sehr guten Openers "Horchata" macht auch "Contra" wieder richtig Spaß. Und mehr ist ja auch gar nicht wichtig.

Julian Plenti - ...Is Skyscraper
Julian Plenti ist Paul Banks ist der Sänger von Interpol. Und eben dieser macht ein Soloalbum, wohl um mal etwas weniger gitarrenlastige Musik auszuprobieren und das gelingt ziemlich gut. "Only If You Run" und "No Chance Survival" sind erstklassige Popsongs und wenn Banks bei "Games For Day" irgendwie wieder zum Interpol-Sound zurückfindet, dann wird es sogar richtig grandios. Trotzdem stören irgendwie ein paar unfertige Songs, aber so kann man sich wenigstens auf ein neues Interpol-Album freuen, für das es jetzt auch wirklich wieder Zeit wird...

Sonntag, 17. Januar 2010

Gemerkelt.

Ich habe mich gerade entschlossen, meine Bloggermüdigkeit bei Spoons großartigem Album "Gimme Fiction", einer Tüte Maoam Kracher (furchtbares Zeug) und der Aussicht, morgen die Uni etwas später zu beginnen als vorhergesehen, aufzuheben.
Juhu.
Und als ob dieser Entschluss nicht schon Grund genug dafür wäre, einen Blogeintrag zu fabrizieren, möchte ich ein paar Worte über die große Diskussion um Angela Merkels Linie, Stil, Art oder wie auch immer man es nennen mag, verlieren. Ich tue mich schwer, "unsere" Kanzlerin in eine Schublade zu stecken, der abwartende und moderate Führungsstil und eine pampige Art, auf Kritik zu reagieren und Kritiker mundtot zu machen, halten sich die Waage und wenn ich heute geneigt bin, Merkel als harmlos zu deklarieren, halte ich sie am nächsten Tag für gefährlicher als alles, was die CDU jemals gebären könnte. Wenn man Widersacher und Wegbegleiter über Angela Merkel erzählen hört, sind die ersten Worte oft, man dürfe sie ja nicht unterschätzen. Die Vehemenz, mit der diese These (oder "Tip", wie auch immer man es nennen will) in die Öffentlichkeit getragen wird, verdeutlicht zwei Dinge:

1. Nicht jeder wird unterschätzt, d.h. Angela Merkel muss etwas an sich haben, dass man unterschätzen kann.
2. Wer Angela Merkel unterschätzt, täuscht sich später

Was den ersten Punkt angeht, so bin ich mir oft nicht sicher, inwiefern Merkel mit ihrer Harmlosigkeit kokettiert. Dieses "nette-Tante-von-nebenan"-Image, das sich - und das darf auf diesem Weg auch mal gesagt sein - wohltuend vom krakeelenden, keifernden und wichtigtuerischen Gehabe mancher männlicher Politiker abhebt, ist unglaublich schwer einzuschätzen. Ich sehe es zu einem gewissen Teil als eine Waffe: Angela Merkel schafft es, dass ein Großteil der Bevölkerung sie nicht mit der regierenden Politik in Verbindung bringt. Das drückt sich darin aus, dass eine Mehrheit in Deutschland gegen die aktuelle Regierungspolitik ist und ebenso eine Mehrheit der Kanzlerin gute Arbeit bescheinigt. Wenn sie genau dies mit ihrem Auftreten erreichen möchte, dann ist ihre Harmlosigkeit tatsächlich gefährlich.
Ein Einlullen der Bevölkerung durch eine Entpolitisierung der Person Angela Merkel ist schädlich. Es verzerrt Wahlergebnisse und eine politikverdrossene Generation ist anfällig dafür, sich nicht genügend zu informieren oder schlichtweg nicht politisch sensibilisert zu werden. Politik darf nicht die Funktion haben, die Leute auf Abstand zu halten.

Angenommen, sie beabsichtigt diesen - aus meiner Sicht äußerst unangenehmen - Nebeneffekt nicht, dann könnte ihre vermeintliche Harmlosigkeit als politisches Instrument dazu dienen, der Bevölkerung unangenehme Reformen aufzudrücken, die sie nicht mit der Kanzlerin in Verbindung setzt (dieses Mal wäre es dann die böse FDP) und die Wahlergebnisse der CDU nicht auf SPD-Level zu senken. Ich muss ehrlich sagen, dass ich diese Methode Angela Merkel am ehesten zugeschrieben habe, v.a. deswegen, weil sie in großkoalitionären (ich liebe dieses Wort) Zeiten einmal sehr erfolgreich funktioniert hat: Als Franz Müntefering die Rente mit 67 verkündigte, war der Schuldige dafür recht schnell ausgemacht: Wer hat uns verraten? Blabla. Ihr wisst schon.
Ich bin mir allerdings unsicher, ob dieser Fakt merkelscher Taktik oder sozialdemokratischer Unfähigkeit geschuldet war. Ohne ein abschließendes Urteil über die Rente mit 67 zu fällen, sei vorweg gesagt, dass die CDU es in der Koalition gegen den Widerstand der SPD-Fraktion durchgesetzt hat. Was danach geschehen ist, ist eigentlich politischer Slapstick: Irgendjemand muss den führenden SPD-Politikern dieser Tage eingetrichtert haben, dass es gut sei, wenn die SPD die Rente mit 67 als eigenes Projekt verkauft. Und von diesem Tag an war die Rente mit 67 in der münteferingschen Rhetorik eine ursozialdemokratische Idee. Angela Merkel hatte damit nicht wahnsinnig viel zu tun, aber es war ihr wahrscheinlich auch nicht Unrecht, dass eine in der Bevölkerung nicht besonders gut aufgenommene Maßnahme nicht mit ihr, sondern dem Koalitionspartner in Verbindung gesetzt wird. Und ob in nächster Zeit noch schmerzhafte Einschnitte ins Sozialsystem kommen? Ich glaube, wenn sie wirklich kommen sollten, wird auch Angela Merkels Nullaussagentaktik nicht davon ablenken können.

Dieses Beispiel führt zu meiner These, dass die Stärke, die man in Angela Merkel sieht, vielleicht gar nicht ihrer wirklichen Stärke, sondern der Schwäche der anderen geschuldet ist.
So hat Merkel ja z.B. Wolfgang Schäuble nicht demontiert - er hat das durch seine Lügengeschichten vor dem Bundestag hervorragend selbst erledigt. Ich halte Roland Koch für einen nicht besonders intelligenten Menschen, aber dass er sich selbst jemals als Nachwuchshoffnung der CDU gesehen hat, traue ich nichtmal ihm zu. Überhaupt denke ich nicht, dass einer Frau, die zweimal hintereinander zur Kanzlerin gewählt wurde, durch interne Konkurrenten innerhalb der CDU die Stellung streitig gemacht werden kann. Ein Roland Koch als Kanzlerkandidat wäre jedenfalls das Beste, was der SPD passieren könnte.
Bei ihren Konkurrenten außerhalb der Partei - namentlich der gesamten SPD - verhält es sich ähnlich. Die SPD hat sich in den letzten Jahren durch desaströse Kommunikation der politischen Inhalte, Unterdrückung von Flügelkämpfen und der damit einhergehenden Unzufriedenheit innerhalb der Partei sowie einigen schlicht falschen Entscheidungen geschafft, sich selbst zu demontieren.
Merkel hat einige Gelegenheiten für sich sehr günstig ausgenutzt, ob sie jedoch 2005 gesagt hat, "jetzt mach ich mal die SPD kaputt, indem ich sie einlulle", halte ich für sehr zweifelhaft.
Der angebliche Modernisierungskurs der CDU spielt jedenfalls nach meiner Ansicht keine besonders große Rolle. Von der Leyens Familienpolitik war in vielen Ansätzen gut und richtig, aber ohne sozialdemokratische Vorarbeit und Unterstützung während der Koalition hätte es sie nicht gegeben. Es bleibt zu sehen, inwiefern sich auf diesem Politikgebiet die angefangene Politik fortsetzt: Eine Familienministerin, die sich weder für ihr Fach interessiert noch Ahnung davon hat und absurde und reaktionäre Maßnahmen wie das geplante Elterngeld (auch mal "Herdprämie" genannt) lassen jedenfalls keinen "Modernisierungskurs" erkennen.
In anderen Politikgebieten befürchte ich, dass sich die CDU nicht modernisiert, sondern taktisch verhält, Forderungen bzgl. härterer Maßnahmen gegenüber ALGII-Empfängern von der FDP und einigen CDUlern lassen Böses erahnen, sind aber wohl aus Merkels Sicht nicht nötig - auch um die Wähler nicht zu verschrecken (diese Methode habe ich oben bereits ausgeführt).

Dieses taktische Verhalten ist wahrscheinlich der wirklich markanteste Charakterzug der Politikerin Merkel. Sie hält sich zurück mit in der CDU weit verbreiteten rassistischen, sexistischen, homophoben, sektiererischen und elitären Äußerungen und sie weiß recht gut, was sie der Wählerschaft zumuten kann und was nicht. Sie findet mit ihrem abwartenden Stil die Kompromisse innerhalb ihrer Koalition und lässt die Medien erstmal diskutieren, bevor sie eine Entscheidung fällt. Selbstverständlich ist das weder mutig noch progressiv, aber sie hat damit Erfolg.
Noch.

Freitag, 8. Januar 2010

Endlich eine Liste, Teil 4.

Ich weiß. Es reicht so langsam mal. Das Jahr 2009 ist jetzt einigermaßen aufgearbeitet und in Listen gepackt. Jetzt fehlt eigentlich nur noch das Jahrzehnt. Und bevor man sich jetzt streitet, ob dasjenige am 1.1.2000 oder am 1.1.2001 begonnen hat (1970 ist doch auch nicht 60er-Jahre oder?), hier ist meine Liste der besten Alben vom 1.1.2000 bis 31.12.2009:

1. The Shins - Chutes Too Narrow
2. Radiohead - Kid A
3. Trail of Dead - Worlds Apart
4. Tocotronic - Kapitulation
5. The Weakerthans - Left And Leaving
6. Nada Surf - Let Go
7. Gaslight Anthem - 59 Sound
8. Modest Mouse - Good News For People Who Love Bad News
9. The Notwist - Neon Golden
10. Coldplay - A Rush Of Blood To The Head
11. Tomte - Hinter All Diesen Fenstern
12. dredg - Catch Without Arms
13. The Strokes - Is It This?
14. Queen Of The Stone Age - Songs For The Deaf
15. The Weakerthans - Reconstruction Site
16. Interpol - Turn On The Bright Lights
17. Maximo Park - A Certain Trigger
18. The Format - Dog Problems
19. Postal Service - Give Up
20. Wilco - Yankee Hotel Foxtrot
21. Maximo Park - Our Earthly Pleasures
22. The National – Boxer
23. The Libertines - Up The Bracket
24. The Arcade Fire - Funeral
25. The Weakerthans - Reunion Tour
26. The Shins - Wincing The Night Away
27. kettcar - Du und wieviel von deinen Freunden
28. Say Anything - ...Is A Real Boy
29. The Antlers - Hospice
30. Jimmy Eat World - Bleed American
31. Editors - An End Has A Start
32. At The Drive-In - Relationship Of Command
33. Gaslight Anthem - Sink Or Swim
34. Fleet Foxes - Fleet Foxes
35. Element Of Crime - Mittelpunkt der Welt
36. The Libertines - The Libertines
37. dredg - El Cielo
38. Dinosaur Jr. - Farm
39. Radiohead - In Rainbows
40. Death Cab For Cutie - Transatlanticism
41. Sufjan Stevens - Michigan
42. Thrice - Vheissu
43. Portishead - Third
44. Spoon - Girls Can Tell
45. Muff Potter - Heute wird gewonnen, bitte
46. Porcupine Tree - Fear Of A Blank Planet
47. Wintersleep - Welcome To The Night Sky
48. The Arcade Fire - Neon Bible
49. Albert Hammond Jr. - Yours To Keep
50. PeterLicht - Melancholie und Gesellschaft

Dienstag, 5. Januar 2010

Endlich eine Liste! Teil 3.

Vorweg wünsche ich meinen Lesern mit etwas Verspätung noch ein frohes neues Jahr 2010 und weise darauf hin, dass ich mir für das Jahr vorgenommen habe, wieder mehr zu Papier zu bringen zu bloggen. Neujahrsvorsätze haben bei mir die gute Tradition des Nichteinhaltens, aber vielleicht kommt ja die große Blog-Lust nochmal zurück.
Jedenfalls ist das, was die neue Regierung abzieht, nicht wert, kommentiert zu werden. Da wird jede Form von Kabarett unnötig, wenn sich die handelnden Personen immer wieder aufs neue selbst karikieren. Dass z.B. Guido Westerwelle ein Nichts ist, durfte man in den letzten Jahren immer wieder am Rande mitbekommen, dass man es aber jetzt so offensichtlich aufs Brot geschmiert bekommt, ist fast schon ein wenig beängstigend.
Ebenso beängstigend ist, dass zwar alle Welt erleichtert war, dass Roland Koch nach Jungs Rücktritt nicht ins Kabinett gekommen ist, keiner aber wirklich mitbekommen, was für ein Scheusal wir stattdessen jetzt zu ertragen haben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich allen diesen wunderbaren Artikel über Frau Doktor Köhler (ja auch darüber kann man im Moment spotten) ans Herz legen, der offenlegt, mit wem wir es da eigentlich zu tun haben.

Wer aber den Titel meines Blogeintrags gelesen hat, der wird wissen, dass es mal wieder und schon wieder nicht um Politik, sondern um eine Liste gehen soll.
Dieses Mal sind die besten Filme des vergangenen Jahres dran und auch wenn ich den hochgelobten "Where The Wild Things Are"-Streifen bisher noch nicht gesehen habe, denke ich, oft genug im Kino gewesen zu sein, um hier mal kurz Gutes von Schlechtem zu unterscheiden.

Platz 5
Inglorious Basterds
Ich habe lange überlegt, ob ich Inglorious Basterds in meine Liste aufnehmen soll, wahrscheinlich v.a. deswegen, weil ich denke, dass mich andere Filme dieses Jahr mehr beeindruckt und beschäftigt haben. Das liegt zum einen an der Schwäche der Story an sich, zum anderen daran, dass diese Story nicht konsequent erzählt wird, sondern nur als Rahmenhandlung für einzelne Szenen, die für sich genommen ab und zu großartig sind, dient. Natürlich ist dies ein typisches Tarantino-Stilmittel, aber es verhindert, dass wirklich Spannung aufgebaut wird. Spannend im eigentlichen Sinne ist es dann nur, wenn Christoph Waltz auftaucht, dessen SS-Jäger herrlich fies ist und Brad Pitt mal eben nebenbei an die Wand spielt. Diese schauspielerische Leistung ist mE auch der Grund, warum hier nicht der ebenfalls hervorragende Film "Frost/Nixon" steht.

Platz 4
Hangover
Hangover ist nicht besonders niveauvoll. Das muss man vorneweg sagen. Die Art Humor, die den Film bestimmt, ist derb, platt, brachial und einfach, so wie man es in vielen sogenannten Komödien der letzten Jahre viel zu oft erlebt hat. Trotzdem ist der Film gerade deswegen so gut. Wenn wie hier eine Pointe an die andere gereiht wird, dann muss Humor nicht feinsinnig sein, gerade dann, wenn trotz allen Unfugs auch noch eine Geschichte erzählt wird, die im Gegensatz zu den meisten Genreverwandten von Hangover weder vorhersehbar noch langweilig ist. Jedenfalls ist ein Film, bei dem man so oft lachen muss, in jeder Jahresbestenliste gut aufgehoben.

Platz 3
Soul Kitchen
Soul Kitchen ist der "jüngste" Film, ihn habe ich erst kurz vor Weihnachten gesehn und es ist tatsächlich die 4. Komödie in dieser Liste. Normal bin ich etwas vorsichtiger mit diesem Genre, aber Soul Kitchen ist tatsächlich sehr gut gemacht und auch wenn Regisseur Fatih Akin ein bissjen zu sehr versucht, möglichst viele Handlungsstränge zusammenzubringen, sind Geschichte und Figuren herrlich skurril und sympathisch gezeichnet, insbesondere der krawallige Koch und Moritz Bleibtreu einmal mehr in seiner Paraderolle überzeugen.

Platz 2
(500) Days Of Summer
(500) Days Of Summer ist eigentlich kein _besonderer_ Film, also einer, bei denen einem beim aus dem Kino gehen noch der Mund offen steht. Er ist vielmehr ein liebenswerter Film, der zum Einen auf hervorragende Weise das Genre "Liebeskomödie" mit einer unspektakulären und unbesonderen, aber unglaublich charmanten Geschichte mit ebenso tollen Hauptdarstellern ad absurdum führt und dann der fantastische Soundtrack, der immer wieder im Film selbst thematisiert wird - Wie in der herrlichen "Tanz"-Szene oder wenn Tom "There Is A Light That Never Goes Out" hört, Summer mitsingt und er ihr dann völlig fassungslos hinterherguckt, dann ist man ihr als Zuschauer genauso verfallen wie Tom...

Platz 1
Das Weiße Band
Über den Film habe ich ja bereits einige Worte verloren, aber es soll auch hier nicht ungesagt bleiben, dass "Das Weiße Band" für mich einen der besten Filme überhaupt darstellt. Sowohl filmisch und schauspielerisch, als auch vom moralischen Gehalt des Films absolut beeindruckend...

Sonntag, 27. Dezember 2009

Endlich eine Liste! Teil 2.

In den letzten Wochen habe ich gemerkt, wie schwer das mit dem Bloggen doch ist. Zuerst fehlt die Zeit zum Bloggen, dann fehlen die Themen, dann hat man nicht so besonders viel Lust und jetzt kommt auf einmal alles zusammen. Um diesen Blog dann doch mal mit etwas Leben zu füllen, kommt hier der versprochene zweite Teil des Jahresrückblicks, diesmal mit den besten Songs. Ich habe einfach mal ein paar zusammengetragen und abgesehen von den "Top 5" war es mir irgendwie auch zu schade, da eine Rangliste zu machen. Jedenfalls sei gesagt, dass alles, was unten steht, für jede Art von Hörgewohnheit absolut uneingeschränkt zu empfehlen ist.

Foo Fighters - Wheels
Ich höre sehr selten Radio. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ich noch viel seltener Songs im Radio höre, die ich gut finde. Und noch viel seltener höre ich Songs im Radio und denke dabei "Hey, das hört sich ja an wie die Foo Fighters... was für ein großartiger Song... das ist ja besser als alles, was sie in den letzten 5 Jahren gemacht haben." Ja. Tatsächlich.

Animal Collective - My Girls
"Girls" ist wohl der Song, bei dem die ganze Abgedrehtheit von Animal Collective am besten in einen "wohlklingenden" Popsong gepresst wird. Genauso abgedreht und dazu passend ist dann das tolle Video.

Element Of Crime - Am Ende denk ich immer nur an dich
Der Text. Der Text. Der Text. Der Text.

Bob Dylan - Life Is Hard
Einen Bob Dylan Song in eine Jahresbestliste zu setzen, ist immer ein Fall von Namedropping und weil ich das neue Album eigentlich auch nicht so wahnsinnig gut finde, dachte ich auch, dass es in diesem, meinen, Fall so wäre. Allerdings hab ich Life Is Hard dann nach einigen Ewigkeiten wieder gehört und für gut befunden. Der alte Mann kanns noch.

Franz Ferdinand - Twilight Omens
Das -nun nicht mehr allzu- neue Franz Ferdinand Album wurde mit der Zeit immer langweiliger. Glücklicherweise aber sticht ein Song aus dem ganzen Brei heraus, der den ganzen alten Werken von Franz Ferdinand gerecht wird.

Pet Shop Boys - Love etc.
Ich weiß nicht so genau, warum und seit wann ich die Pet Shop Boys eigentlich gut finde. Es mag daran liegen, dass sie das diesjährige Dour geheadlinet haben und die Show prächtig war oder daran, dass ich mit der Radiobeschallung groß geworden bin. Nichtsdestotrotz ist Love Etc. aber einfach ein wahnsinnig guter Popsong.

Eels - Ordinary Man
Zu den Eels-Songs hatte ich ja bereits mehrfach etwas geschrieben und "Ordinary Man" ist der beste und wohl auch persönlichste Song des letzten Albums, das für mich mittlerweile doch zu den Lieblings-Eels-Alben gehört...

Kevin Devine - Brother's Blood
Ich weiß nicht genau, ob ich Brother's Blood nur deswegen in die Liste gesetzt habe, um meiner Mitbewohnerin einen Gefallen zu tun (aufmerksame Leser [so sie nicht schon längst abgewandert sind] kennen dieses Pingpong-Spiel) oder aber, weil dieser Song in seiner ganzen ausufernden Prog-Folk-igkeit das ist, was die Decemberists dieses Jahr irgendwie nicht so richtig hinbekommen haben

Grizzly Bear - Two Weeks
Veckatimest, das Album der Grizzly Bears wird gerade in sämtlichen Jahrespolls an die Spitze gewählt und irgendwie schaffe ich es nicht, dieses Album so richtig gut zu finden. Aber wer einen so herrlich verschrobenen Song mit vielen tollen Ahs und Ohs schreibt und dazu ein noch viel verschrobeneres Video (die Augen!) dreht, dem ist jeder Hype zu gönnen...

Morrissey - I'm Throwing My Arms Around Paris

Ich habe es dieses Jahr schon wieder nicht geschafft den Mozzer live zu sehen und mein Trauma des abgesagten London-Konzerts 2008 zu überwinden. Und obwohl ich mit den meisten Post-Smiths-Sachen nicht so wahnsinnig viel anfangen kann, ist Years Of Refusal ein hervorragendes Album geworden und "I'm Throwing My Arms Around Paris" eine ebenso hervorragende Single.

Dinosaur Jr. - Over It
Eigentlich ist es ziemlich egal, welcher Dinosaur Jr. Song hier steht, dieses Ungetüm von einem Album muss in dieser Liste vertreten sein, auch wenn es keinen "Hit" abgeworfen hat. Ich habe mal Over It ausgewählt, weil es dazu ein witziges Skate-Video der Band (allesamt Mitte 40 und wohl beleibt) gibt.

Phoenix - Lisztomania

Hier könnte genauso gut Phoenix' "1901" stehen, denn selten hat ein Album mit zwei so perfekten Pop-Perlen eröffnet wie Wolfgang Amadeus Phoenix (und selten das Niveau so überhaupt nicht gehalten).

Ghost Of Tom Joad - Into The Wild
Ich kann weiterhin mit der Band nichts anfangen, aber "Into The Wild" ist grandios. Diese Gitarren! Deutscher und englischer Gesang im Wechsel!! Und dann erst diese Gitarren!!!

Maximo Park - The Kids Are Sick Again
So richtig vorbei ist der Hype um Maximo Park ja noch nicht - zumindest wenn man sich die Konzertticket-Preise vor Augen hält. Trotzdem hat das neue Album keinen Dauer-Konsenshit der Marke "Books From Boxes" ausgespuckt. "The Kids Are Sick Again" ist eigentlich auch ein bissjen zu sperrig, um als "Hit" zu gelten, allerdings ist dieser Aufbau zum fantastischen Refrain hin so lobenswert, dass man sich keine Sorgen um Maximo Park machen muss... Da kommt noch was.

5. Glasvegas - Geraldine
Eigentlich hatte ich mich an Glasvegas Anfang des Jahres so satt gehört, dass ich deren Platte mehrere Monate nicht angerührt habe. Um Geraldine kommt man aber mE dieses Jahr einfach nicht herum. Radiopopsong der Marke Perfekt.

4. Wintersleep - Dead Letter

Dass das Wintersleep-Album ganz große Klasse ist, hatte ich ja bereits mehrfach geschrieben, dass "Dead Letter" da noch einmal heraussticht, spricht Bände. Eine richtig schöne, rührselige Heulsusen-Ballade mit dicker Portion Selbstmitleid: "I think I think I think a little too often/That's what my therapist said/We're alone in this wilderness"

3. Muff Potter - Niemand will den Hund begraben
Wie bereits geschrieben, ist dieser Song wohl das beste, was deutsche Bands dieses Jahr abgesondert herausgebracht haben. Es geht um das Thema Landflucht und meine uneingeschränkte Lieblingstextzeile des Jahres ist: "An der Bushalte sitzen Rocko und Rico/Und spielen Stadt Land Flucht/Ihre Zukunft hängt hier tot überm Zaun/Bald werden auch sie abhaun"

2. Marching Band - For Your Love
Ich beziehe meine Musik ja meistens aus Musikmagazinen (plattentests.de und Visions sind da zu nennen) oder Blogs (coffeeandtv.de, hermsfarm.de), eher selten ist es, dass ich eine Band zufällig live sehe, mir die CD kaufe, überall herumerzähle, wie toll die doch sind und auf einmal alle anderen das auch toll finden. So toll, dass in der 4. Folge der 9. Staffel der weltbesten Serie aller Zeiten (Scrubs) einige Takte von For Your Love gespielt werden. Für alle Unwissenden: Ein Ritterschlag ist nichts dagegen! (Ach ja, allein das Nintendo-Sound-Zwischenspiel rechtfertigt den 2. Platz hier)

1. Editors - The Boxer
Der Song des Jahres kommt vom immer noch schwer unterschätzten neuen Editors-Album "In This Light And On This Evening". The Boxer ist wohl der Song, an dem die Verbindung des "alten" Editors-Sounds mit elektronischen Elementen am besten geglückt ist. Wer glaubt, die neuen Songs seien nicht mehr düster, dem beweist The Boxer das genaue Gegenteil. Niemals waren die Editors so schwermütig, ja beinahe gruselig.

Dienstag, 1. Dezember 2009

Endlich eine Liste! Teil I

Ich bin, was meinen Musikgeschmack eigentlich ein ziemlicher Listenfreak. Irgendwann habe ich einmal gemerkt, was iTunes für ein hervorragendes Spielzeug ist, einfach alles irgendwie in Listen zu packen. Also die besten Songs, die besten Alben, die besten Songs aus 200x, die besten Rocksongs, die besten Beatles-Songs etc.
Jetzt neigt sich nicht nur das Jahr dem Ende zu (und die Zahl und Qualität der neuen Veröffentlichungen nimmt ab), sondern auch ein Jahrzehnt, an dessen Beginn ich zwar gerade mal 11 Jahre war, das mich aber mit zunehmender Zeit doch musikalisch geprägt hat (naja, welches Jahrzehnt soll es auch sonst getan haben?).
Jedenfalls habe ich mich angetrieben hiervon mal an die Arbeit gemacht, die vielen herausragenden Songs und Alben mal in eine Reihenfolge zu packen und möchte das Ergebnis hier vorstellen. Anfangen werde ich mit den 10 besten Alben des Jahres. Und dann bleibt nur zu hoffen, dass dieser Serie nicht das gleiche Schicksal ereilt, wie der letzten (mein Teil II von Politik der Dummheiten liegt seit 15. November bei den Entwürfen - kommt noch, versprochen...).

Platz 10
Muff Potter - Gute Aussicht
Muff Potter habe ich irgendwie erst dieses Jahr "entdeckt". Zu spät, wie sich herausgestellt hat, die Band löst sich Ende des Jahres auf. Vorher haben sie noch einmal ein richtig gutes Album abgeliefert, u.a. mit einer schönen Alltagsgeschichte in "Rave Is Not Rave" und dem besten deutschen Song des Jahres (sorry, Sven Regener): "Niemand will den Hund begraben" (mehr dazu dann in Teil II)

Platz 9
Eels - Hombre Lobo
Irgendwann im Juli dieses Jahres hatte ich eine ziemliche Eels-Phase, da hatte ich mir gerade die wunderbare Mark Oliver Everett alias "E"-Biografie "Things The Grandchildren Should Know" zugelegt und viele Songs der Eels haben so langsam einen Sinn bekommen. Dann kam dieses tolle Eels Album, lief 2 Wochen lang in Dauerrotation und verschwand dann im CD-Regal (hat eigentlich schonmal jemand gesagt, dass diese Bilder seit iTunes keinen Sinn mehr ergeben?).
Jedenfalls ist Hombre Lobo ein typisches Eels-Album geworden: Mindestens 2 Songs sind absolut herausragend, der Rest ist gut, bleibt aber nicht lange hängen...
Anspieltipps: The Look You Give That Boy, Ordinary Man

Platz 8
Marching Band- Spark Large
Wenn irgendjemand fragt, wie denn der Sommer im Jahr 2009 war, dann sagt diese Platte mehr als 1000 Worte. Kennengelernt habe ich Band und Musik zufällig auf einem Konzert Mitte April in Heidelberg und zu den ersten warmen Tagen passte dieser Sound einfach wunderbar. Die zuckersüßen Songs überschreiten die Grenze zum Kitsch zwar an der einen oder anderen Stelle, aber weil Zucker nunmal klebt, kommt man von den herrlichen Melodien einfach nicht mehr los.
Und dann springt auch noch der Popsong des Jahres heraus: Marching Band - For Your Love

Platz 7
Maximo Park - Quicken The Heart
Maximo Park sind tatsächlich einer der Gründe, warum ich mich in diesem Maße für Musik interessiere. Das Jahr 2005 mit ihrem fantastischen "A Certain Trigger"-Album bleibt allerdings der Maßstab für ihre neueren Sachen und konnte "Our Earthly Pleasures" vor 2 Jahren noch sehr gut mithalten, so haben Maximo Park nun mit "Quicken The Heart" zum ersten Mal eine Platte gemacht, die nicht von vorne bis hinten grandios ist. Da sie das Songschreiben allerdings nicht verlernt haben, kommen immer noch Songs wie "The Kids Are Sick Again" und "A Cloud Of Mystery" heraus, für die Franz Ferdinand dieses Jahr wohl getötet hätten...

Platz 6
Animal Collective - Merriweather Post Pavillon
Mit Animal Collective ist das so eine Sache. Eigentlich ist solche Musik nur in Maßen zu ertragen. Hypnotisches vor sich hin summen, seltsame Hintergrundgeräusche, Hall und mehrstimmiger, vor sich hinwabender, aber scheinbar nicht aufeinander abgestimmter Gesang sollen Popsongs ergeben? Tatsächlich. In der Gesamtbetrachtung fügen sich die nicht ganz herkömmlichen Bestandteile der Songs irgendwie zu wahnsinnig guten Melodien (Summertime Clothes) und tollen Arrangements (My Girls). (Beim Joggen muss ich die trotzdem immer Skippen... da dreht man sonst völlig durch)

Platz 5
Wilco - Wilco (The Album)
Wilco ist auch so eine Band, die wahrscheinlich niemals ein schlechtes Album machen wird. Waren auf "A Ghost Is Born" und "Sky Blue Sky" noch ausuferndes Gitarrenspiel und Atmosphäre die Schlagworte, so sind nun reduzierte Popperlen zu hören, allen voran "Wilco (The Song)" und das wunderschöne "One Wing".

Platz 4
Wintersleep - Welcome To The Night Sky
"Do you still believe in God?
Said the preacher to the astronaut
I heard it's kinda lonesome there
Nothing to talk to but a cold, cold air
Tell me, tell me what was it like?
Did meaning fall from that celestial light?
Did it wrap you up in conversation?
Did it leave you like some ineffable nothing?
Are you feeling alright?
In the blink of a flashing, blinding light"
(Wintersleep - Astronaut)
Noch Fragen?

Platz 3
Editors - In This Light And On This Evening
Ich habe vom neuen Editors-Album nach den ersten Besprechungen nichts erwartet, bin zusätzlich enttäuscht worden und trotzdem taucht "In This Light And On This Evening" in dieser Liste auf Platz 3 auf.
Ich hatte nach etwa 3-4 Durchläufen mit dem Album eigentlich bereits abgeschlossen. Das, was ich auf den früheren Editors-Alben so liebte, nämlich die tollen Klangteppich-Gitarren und der Joy Division-Sound, das gab es auf einmal nicht mehr. Stattdessen Synthie-Pop-Songs, mit denen man sich erstmal anfreunden muss. Das braucht seine Zeit, aber irgendwann macht es dann klick. The Boxer ist wahrscheinlich der beste Editors-Song bisher und der Titelsong ist genauso wunderbar düster wie die Songs der letzten Alben und auch wenn manchmal etwas am Kirmesdisco-Sound gekratzt wird (Papillon), so passt irgendwie auch diese neue Herangehensweise sehr gut zu den Songs der Editors.

Platz 2
Dinosaur Jr. - Farm
Kaufen. Anhören. Mitrocken.
(Wem das nicht reicht, der kann auch meinen Artikel von vor einem halben Jahr lesen, in welchem ich "Farm" etwas voreilig bereits zum Album des Jahres erklärt hatte)
Anspieltipps: I Want You To Know, I Don't Wanna Go There

Platz 1
The Antlers - Hospice
"The Antlers? Hä, wer ist das denn? Das ist ja gar nicht der Mainstream-Indie-Kram, den der Kerl sonst so hört..."
Ja, stimmt. Eigentlich bin ich kein besonderer Fan von Musik, in der die ganze Zeit vor sich hingewinselt wird, aber dieses Album entfaltet eine so starke Wirkung, dass es eine Schande wäre, sich nicht mit diesem doch etwas anstrengenden Klotz Musik zu beschäftigen. Die Melodien sind wunderschön, die Texte unglaublich traurig. Nicht umsonst heißt das Album "Hospice": Der Protagonist begleitet eine Frau in ihrem Sterbeprozess von ersten Berührungsängsten (Can't you see I'm scared to speak, and I hate my voice 'cause it only makes you angry.) bis zum bitteren Ende. So heißt es in "Epilogue": "You're asleep, I'm screaming, shoving you to try to wake you up. And like before, you've got no interest in the life you live when you're awake."
Das ist von Anfang bis Ende bitter und traurig und sicher kein Album, das man unbedingt immer wieder hören möchte, aber wenn Musik so eindringlich berührt, dann haben The Antlers einfach alles richtig gemacht. Das ist der Grund, warum Hospice ziemlich unbestritten mein Album des Jahres ist. Hier einen einzelnen Song herauszuheben, würde allen anderen Unrecht tun und deshalb verlinke ich hier einfach mal die Single Two (mit Video).

Freitag, 20. November 2009

Der schwarz-gelbe Zeitgeist.

Meine ersten Gedanken am 27.9. dieses Jahres um 18.01 Uhr waren nicht Enttäuschung oder Wut, sondern Unverständnis. Mir war es völlig schleierhaft, wie in einer Zeit, in der die "Welt nach sozialdemokratischen Antworten geradezu schreit" (Sigmar Gabriel), ein rechtsliberaler Wahlsieg zustande kommen kann.
Selbstverständlich hat die Stärke der anderen auch viel mit der Schwäche der SPD zu tun (und damit, dass die Kritiker der SPD oft genug auch ihre Vorbehalte gegen die Partei Die Linke haben und eher der Wahl fernbleiben, als den eigentlich logischen Sprung zu machen), aber allein das greift nicht weit genug und vernachlässigt jene gesellschaftlichen Entwicklungen, die mit einem starken "bürgerlichen" Lager einhergehen.
Das, was Sigmar Gabriel letzte Woche auf dem Parteitag über die Erfordernis einer Rückgewinnung der Deutungshoheit in der Gesellschaft gesagt hat, zeigt sich in vielen Äußerungen, nicht nur in Faz, Welt oder Zeit, sondern auch von Freunden und Kommilitonen: Elitedenken ist weiter verbreitet als gedacht und befürchtet.
Die Definition von Leistung (i.S.v. "Leistungsträger", "leistungswillig" im Gegensatz zu "Leistungsempfänger" und "leistungsunfähig oder -unwillig") liegt wieder voll in der Hand der konservativen Kräfte. Vielverdiener sind so automatisch Leistungsträger und zahlen ja viel zu viele Steuern und Arbeitslose sollen doch bitte ein wenig dankbarer ihre Leistungen entgegennehmen und würden ja ohnehin Arbeit finden, wenn sie sich drum bemühen würden.
Auch, dass man es geschafft hat, dem Begriff "links" die "Bürgerlichkeit" entgegenzusetzen, ist sicherlich ein Verdienst von jahrelanger harter Oppositionsarbeit. "Links" ist wieder negativ besetzt, meistens mit faul, rebellisch, neidisch und rechthaberisch, während das "Bürgerliche" durch Vermeidung des ebenfalls negativ besetzten Begriffes "rechts" für Fleiß, Anstand, Stil und kulturelle Interessiertheit steht.
Zu dieser Manipulation durch Sprache hat Erhard Eppler letzte Woche auf dem Parteitag sehr richtig gesagt:
Wir Deutschen leiden darunter, dass wir für die französischen Worte Citoyen – Staatsbürger, Souverän der Demokratie – und Bourgeois – Besitzbürger – leider nur ein einziges Wort haben, nämlich Bürger. Mit dieser Armut der deutschen Sprache wird nun seit 200 Jahren Schindluder getrieben. Lasst das einen alten Mann hinzufügen: In den 70er-Jahren habe ich geglaubt, es sei zu Ende mit diesem Schindluder. Jetzt fängt es wieder an. Das ist ja grotesk: Wenn bei uns einer zum Kommiss kommt – Wehrpflicht ableistet –, ist er doch ein Bürger in Uniform, ein Citoyen in Uniform. Völlig richtig! Aber wie ist es, wenn er die Uniform wieder auszieht? Ist er dann nur ein Bürger, wenn er zur CDU oder zur FDP geht?
Nicht nur die Gesellschaft selbst, auch die gesellschaftliche Haltung hat sich in den letzten 11 Jahren verändert. Ein Beispiel dafür ist, mit welcher Begeisterung Guttenbergs Berufung ins Kabinett im Februar aufgenommen wurde. Die Attribute "stilvoll, gut angezogen und adelig" reichen offenbar schon, um im Bewusstsein der Bevölkerung einen guten Minister auszumachen. Dass Guttenberg selbst in seinem politischen Handeln eine ganz und gar großbürgerliche Haltung an den Tag legt, fällt da nicht ins Gewicht und wird sogar noch unter "Ehrlichkeit" subsumiert.
Auch und gerade, dass Guttenbergs vermeintliche "Adeligkeit" ein besonderes Interesse des Boulevard weckt, zeigt: Status ist wieder in. Willkommen im 19. Jahrhundert. Dass der Adel seit 1918 abgeschafft ist und die damaligen Entscheidungsträger gnädiger als bspw. die Österreicher waren, die ihren vormaligen Blaublütern das Tragen ihrer Standesnamen verboten haben, und dass die Abschaffung der Unterdrückung durch den Adel im Stände- und Klassensystem einer der härtesten und blutigsten Kämpfe der letzten 300 Jahre war, wird überhaupt nicht wahrgenommen.
Wenn man von Status redet, so hat dies immer die Prinzipien von Machterhalt und Abgrenzung zur Folge.
Tanja Dückers schreibt dazu in der Zeit zutreffend:
Die Frage, wie diese dichotome Welt von wohlhabenden, kunstsinnigen Leistungsträgern und tumben, niveaulosen Leistungsempfängern überhaupt entstehen konnte, stellen sich die Protagonisten des neuen Zeitgeistes nicht. Die neue Avantgarde ist für sie Ergebnis eines quasi nietzscheanischen Akts – geboren aus dem puren Willen zum Erfolg. Als sei der Umstand, ob man in Lohn und Brot steht, lediglich eine Frage von Wille und Leistung.
Dass in Deutschland die soziale Durchlässigkeit seit Jahren abnimmt, wird nicht nur ausversehen übersehen, sondern ist wohl gewollt. Statusveränderung ist schließlich Sozialismus. Oder so.

Bevor man konkrete Lösungen von Sachentscheidungen wie bei den Arbeitslosenhilfegesetzen, der Rente mit 67 etc. als DEN Weg aus der Krise der Sozialdemokratie sieht, sollte man sich klar darüber sein, dass die neue Regierung tatsächlich eine Regierung der Mitte ist. Natürlich nicht in dem Sinne, dass die neue Politik einen Ausgleich zwischen rechten und linken Positionen und den verschiedenen Schichten der Gesellschaft sucht, sondern dass rechtskonservative und neoliberale Positionen im Moment die Deutungshoheit in der Gesellschaft innehaben.
Der Weg zu einer neuerlich starken Sozialdemokratie kann also nicht auf Sachentscheidungen oder Glaubwürdigkeitsrückgewinn reduziert werden, sondern kann nur mit einer Umwälzung des wortwörtlich herrschenden Denkens einhergehen.